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Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 5 (1912).djvu/79

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

Zivilkasino gespielt hat. Ich bin entfernt, die Spielleidenschaft irgendwie zu verteidigen. Wer sich aber im öffentlichen Leben umsieht, der wird zugeben, daß in allen Gesellschaftskreisen des deutschen Volkes bei Hoch und Niedrig gejeut wird. Ich betone das ganz besonders deshalb, um der Behauptung entgegenzutreten, daß das Spiel ein Übel ist, das nur in höheren Gesellschaftskreisen anzutreffen ist. Und wer sich an seine Brust schlägt, wird das, was er in seinen jungen Jahren getan, als gereifter Mann verantworten wollen? Daß es aber dem Angeklagten Dr. Ries nicht darauf ankam, das Spiel an sich zu brandmarken, erhellt aus der Tatsache, daß er selbst zugibt, in früheren Jahren der Spielleidenschaft gefröhnt, ja selbst noch am letzten Kaisers Geburtstag Hasard gespielt zu haben. Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß der Herr Minister nicht anders im Kasino gespielt hat, als alle anderen. Und es muß doch festgehalten werden, daß der Herr Nebenkläger nicht als Minister gespielt hat. Dr. Ries macht aber dem Minister in der Hauptsache zum Vorwurf: er habe, als er Minister wurde, den Gymnasiallehrer Früstück, zum Dank, daß er ihm einmal beim Spiel Geld geliehen, zum Gymnasialdirektor befördert. Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß an alledem kein wahres Wort ist. Der Minister hat zur Beförderung des Direktors Früstück nicht das mindeste beigetragen. Es ist von Herrn Geheimen Schulrat Menge eidlich bekundet worden: er habe den Oberlehrer Früstück zur Ernennung als Gymnasialdirektor in Birkenfeld vorgeschlagen. Der Angeklagte hat aber auch selbst zugegeben: er habe sich nicht als Sittenrichter aufwerfen und das Spiel als solches brandmarken wollen, in der Hauptsache sei es ihm darauf angekommen, sich zu rächen. Dies geht auch deutlich aus den Briefen hervor, die Dr. Ries an Biermann geschrieben hat. Dr. Ries fühlte sich durch seine Versetzung nach Jever gekränkt. Allein die Beweisaufnahme hat keinen Zweifel darüber gelassen, daß von einer Strafversetzung des

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/79&oldid=- (Version vom 22.5.2024)