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Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 6 (1912).djvu/139

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

die er bisher nie verletzt hat. Die Anklage beruht allerdings im wesentlichen auf unbeeidigten Aussagen. Jedoch dürfen wir die beeidigten Aussagen nicht in den Wind schlagen! Gegen Frau Zimmermann liegt nichts vor; sie hat das Regiment in ihrem Hause und begreiflich ist es, daß sie gegen den Angeklagten ausfällig wurde. Im übrigen aber macht sie durchaus einen glaubwürdigen Eindruck. Ebenso gibt das ganze Auftreten der Frau Werner die Garantie absoluter Wahrheit. Auch Frau Schmidt genießt das beste Ansehen. Ebenso ist Herr Zimmermann glaubwürdig. Daß er sein Kind so schlecht gemacht haben soll, wie eine Zeugin behauptet, ist undenkbar. Ich komme jetzt zu den Hauptzeugen: den Mädchen Schmidt und Zimmermann. Sie haben verschiedene Charaktere: Die eine lebhaft, temperamentvoll, die andere ruhig, bestimmt und überlegend. Die Zeugin Zimmermann hat einen ausgezeichneten Eindruck gemacht. Die Schmidt ist nicht minder zuverlässig. Beide haben gute Schulzeugnisse und gingen fleißig zur Kirche. Die Beschuldigungen der Unsittlichkeit gegen die Zimmermann sind abgebröckelt; von all den Liedern ist nichts hängengeblieben, als der eine Spruch: „O Mensch, bedenk.“ – Wenn die Zimmermann eine Zeugin bittet, sie nicht Lügnerin zu heißen, so ist zu erwägen, wie sie in Worms verfolgt wurde. Darauf erörterte der Oberstaatsanwalt die Belanglosigkeit der unsicheren Angaben über die Kleidung des Angeklagten an dem fraglichen Tage und fuhr fort: Man kann keine Sinnestäuschung annehmen, es wäre nur eine direkte Lüge möglich. Entweder: satanischer Haß oder Sucht nach Romantischem können die Gründe dafür sein. Letzteres ist hier ausgeschlossen, da dann Übertreibungen und Ungeheuerlichkeiten vorgebracht worden wären. Dieses aber ist bei den Darstellungen der Kinder nicht der Fall. Sie fabulieren nichts. Auch die Beweggründe für das Handeln des Angeklagten sind so von den Kindern wiedergegeben, daß sie sie nicht erfunden haben können.

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/139&oldid=- (Version vom 31.7.2018)