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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

Körperverletzung des Werner schuldig gemacht, um ihn durch Zwang zu einer Aussage zu nötigen. Daher wird nach § 223 und in idealer Konkurrenz mit § 240 des Strafgesetzbuches die Strafe verhängt. Das Gericht ist der Ansicht, daß der Angeklagte kein Züchtigungsrecht über Werner hatte, er war auch nicht von den Eltern dazu ermächtigt. Nicht erwiesen ist, abgesehen von der Gewalt, daß die Niederschrift unter Zwang erfolgt ist. Der Angeklagte ist daher mit 100 Mark Geldstrafe, im Unvermögensfalle mit zehn Tagen Gefängnis zu bestrafen. Die Mißhandlung der Zimmermann ist als erwiesen erachtet, und zwar ist der Angeklagte hier als Pfarrer handelnd angesehen worden. Daher fällt die Frage über Beamtenqualität fort. Da ihm als Seelsorger keine Züchtigung erlaubt war, so ist er nach § 223, mit Rücksicht des Verhaltens der Zimmermann, durch das er erregt war, mit 50 Mark Geldstrafe, eventuell mit fünf Tagen Gefängnis zu bestrafen. Ferner ist als erwiesen erachtet, daß die Zimmermann vom Angeklagten in dessen Wohnung bestellt worden war, in der dann auf die Kinder von dem Angeklagten eingewirkt wurde, das betreffende Schriftstück mit: „Es ist wahr“ zu unterzeichnen. Trotz des Leugnens des Angeklagten ist als erwiesen anzusehen, daß die Kinder die reine Wahrheit gesagt haben. (Bewegung.) Es ist zweifellos erwiesen, daß der Angeklagte die Zimmermann verschiedene Male geküßt und zum Lügen gegen die Mutter angehalten hat und daß die Kinder die Erklärung, daß ihnen nichts geschehen sei, unterzeichnet haben. Diese Erklärung hatte nur Sinn, wenn etwas vorgefallen war. Das ganze Verhalten des Angeklagten hat das Gericht zu der Überzeugung gebracht, daß die Kinder die Wahrheit gesagt haben, zumal sie trotz aller Vorhalte bei ihren Aussagen geblieben sind. Das Gericht ist der Meinung, daß eine objektiv unzüchtige Handlung vorliegt. Ferner ist auch das subjektive Moment als vorhanden erachtet worden. Der Angeklagte mußte daher auch auf Grund der §§ 174 Abs. 1 und 176 Abs. 3 des

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/145&oldid=- (Version vom 1.8.2018)