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Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 6 (1912).djvu/275

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

der Meinung gewesen, daß nach zwei Jahren sein Vater ihm ohne weiteres eine große Zulage gewähren würde. Das Gericht ist gegenteiliger Ansicht. Vielleicht hätte sich der Vater dazu verstanden, dem Angeklagten wieder zur Seite zu stehen. Aber wenn er wußte, wie sein Sohn hier in Berlin lebte, daß er nichts geworden war, sich um nichts bemüht hatte, daß dann ein größerer Zuschuß von seinem Vater zu erwarten war, davon kann nach Ansicht des Gerichts nicht die Rede sein. Die folgenden Vorgänge haben dies ja auch bestätigt. Der Angeklagte hat immer auf seine Heiratsprojekte hingewiesen. Es ist darüber gesprochen worden, ob seine Heiratsprojekte ihm eine Anwartschaft darauf gaben, in den Besitz großer Summen zu kommen. Auch hier kann nur betont werden: Wir haben ja den praktischen Erfolg gesehen, daß es dem Angeklagten nicht geglückt ist, eine reiche Frau zu bekommen. Er hat erst später eine Frau geheiratet, die ihm die Mittel zur Verfügung gestellt hat. Aber hier ist es ihm nicht geglückt, und er mußte Berlin verlassen, weil er sich wegen seiner Schulden nicht halten konnte. Es soll nicht gesagt werden, er flüchtete, aber er konnte sich hier nicht halten, weil er fertig war mit seiner Kreditfähigkeit. Tatsächlich konnten ihm aber auch die Heiratsprojekte, die er hatte, absolut keinen Grund geben, sich für kreditfähig zu halten, denn sämtliche Projekte sind nicht weiter hinausgekommen, als über einen Schriftwechsel mit einem Heiratsagenten und mit Buchwald. Bei Frau Dolly nimmt das Gericht an, daß er sich längere Zeit eingebildet zu haben scheint, daß sie ihm dereinst als Frau anheimfallen werde. Es ist dem Angeklagten geglaubt worden, daß er sich mindestens einbilden konnte, sie zu heiraten. Daß diese ganz unsicheren Heiratsprojekte ihm aber keinerlei Berechtigung geben konnten, bestimmte Versprechungen zu machen, kann keinem Zweifel unterliegen. In allen Fällen der Anklage, mit Ausnahme von einigen ganz kleinen Warenschulden, wußte er nicht, ob er die Schulden zu dem bestimmten

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 271. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/275&oldid=- (Version vom 2.1.2023)