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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

bin heute schon stolz auf meinen schönen, schmucken Schatz.“ – Ähnliche Worte glühender Liebe für Merker und Verachtung für Preßler zeigten sich in vielen anderen Briefen. Von Interesse war noch ein Brief der Angeklagten vom 15. Mai, in dem sie Merker den Tod Preßlers mitteilte: „Mein unendlich geliebter, teuerster Hans! Nun bin ich endlich frei, mein Schatz, gelöst sind die drückenden Fesseln, aber nicht durch eine Entlobung, sondern Gott hat selbst gerichtet! Preßler hat sich Montag nachmittag drei Uhr erschossen wegen seiner bereits bestehenden ersten Ehe. Seine Frau Leonore hat ihn selbst in der Wohnung aufgesucht, sie ist von den Hausbewohnern gesehen worden und nach ungefähr einer Stunde weggegangen. Kurz darauf ist ein Schuß gefallen, man ist aber nicht darauf gekommen, daß es Preßler sein könnte. Erst Dienstag nachmittag fünf Uhr hat ihn seine Aufwärterin gefunden. Auf dem Schreibtisch fand man einen Brief seiner Frau, worin sie den Aufenthalt in Chemnitz anzeigt. Mich hat Preßler zur Universalerbin eingesetzt. Du siehst, ich habe nun doch rechtbehalten. Komme recht bald zu Deiner Dich über alles liebenden Grete.“ – Vors.: Ich möchte der Angeklagten nun nur noch vorhalten, daß sie sich selbst im Gefängnis hat Durchstechereien zuschulden kommen lassen. Zunächst haben Sie auch noch nach dem Geständnis der Abtreibung glühende Liebesbriefe mit Merker gewechselt und ihn angestiftet, Ihre Tante, Frau Schlegel, zu ermorden. Das spricht doch für ein geradezu felsenfestes Vertrauen zu Merker, nicht aber, daß Sie Furcht vor Merker hatten. Außerdem haben Sie sich auch auf den Spaziergängen und in der Zelle auffällig benommen. Ferner haben Sie einen Brief geschrieben, obgleich Sie gar kein Schreibzeug haben konnten. Wo hatten Sie denn das Material her? – Angekl. Beier: Von meiner Mutter. – In dem Kassiber machte Grete Beier dem Merker Vorwürfe, daß er ihre Briefe ausgeliefert habe, was nicht notwendig gewesen sei. Auf Grund dieser Briefe

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 310. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/314&oldid=- (Version vom 1.8.2018)