Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6 | |
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verschwanden sie wieder aus Berlin. Nitter hatte stets „Tandelzeug“ in der Tasche. Ich sagte ihm einmal, du scheinst verhältnismäßig wenig bei deinen Fahrten zu verdienen. Nitter versetzte: Du kannst doch nicht verlangen, daß der zweite Mann ebensoviel verdient wie der erste. Sobald Knitelius aus Berlin verschwunden war, war auch Nitter nicht in Berlin. Einige Wochen vor dem Magdeburger Morde sagte mir Nitter: Wir wollen eine Reise nach Magdeburg unternehmen und in eine Apotheke einbrechen, wir müssen Gift haben; in Berlin ist in dieser Beziehung nichts zu machen. Nitter stand vollständig unter dem Einfluß von Knitelius, sie hingen wie „Kletten“ zusammen. Nitter sagte mir einmal auf meine Vorhaltungen: Ich bin gezwungen, mich dem Willen des Knitelius vollständig zu unterwerfen. Er hat mir gedroht, wenn ich mit ihm breche, dann schießt er mich über den Haufen. – Knitelius sprang auf und rief in größter Entrüstung: Das ist frech gelogen. – Vors.: Verhalten Sie sich ruhig, Angeklagter. – Zeuge: Ich stehe hier unter meinem Eide und habe absolut kein Interesse, etwas Unwahres zu bekunden. Nitter sagte mir: Wenn Knitelius mich ansieht, dann muß ich alles machen, was er mir befiehlt. – Vors.: Halten Sie Nitter für geistig normal? – Zeuge: Ich halte Nitter noch heute nicht für geistig normal. Nitter hatte einmal eine schlimme Hand. Wir rieten ihm, er solle zum Arzt gehen, er tat das aber nicht. Augenscheinlich hatte er sich bei einem Einbruch mit dem Bohrer die Hand verletzt. – Vors.: In welchen Lokalen verkehrten Knitelius und Nitter? – Zeuge: Im „Cafe Westminster“, „Café Opera“, „Café Maxime“, „Café Viktoria“, kurz überall, wo in Berlin die feinere Verbrecherwelt verkehrt. Wenn den beiden das Geld klamm wurde, sagte Knitelius zu Nitter: „Edwin, wir wollen wieder auf die Fahrt gehen.“ – Vert.: Woraus entnehmen Sie, daß Knitelius mit Nitter Einbrüche machte? – Zeuge: Wenn Nitter mit Knitelius aus Berlin verschwand, hatten beide
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/46&oldid=- (Version vom 4.12.2022)