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Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 6 (1912).djvu/7

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

in ihrem Berliner Stammcafé, womöglich am Arme einer hochelegant gekleideten, feschen jungen „Dame“ erscheinen, sich in schwellenden Polstersesseln wiegen und mit Grandezza ihren Mokka schlürfen, da liest man vielleicht: in irgendeiner Provinzstadt sei ein großer Einbruch oder gar ein Raubmord verübt worden. Der oder die Täter sind unerkannt entkommen. Der Unkundige ahnt nicht, daß der feine Herr mit dem goldenen Pincenez, der an der Seite einer hübschen jungen Dame ihm gegenüber auf dem Sofa sitzt, der Einbrecher oder gar der Mörder ist, von dessen ruchloser Tat er soeben durch die Zeitung Kenntnis erhalten hat.

Zu den Stammgästen des Café Westminster gehörte vor einigen Jahren ein netter junger Mann, namens Otto Knitelius. Sein einnehmendes Äußere war im höchsten Grade vertrauenerweckend. Oftmals erschien er am Arm einer bildschönen, schneidigen, äußerst schick gekleideten jungen Dame. Zu dem Paar gesellte sich vielfach ein sehr netter junger Mann, ebenfalls in eleganter Kleidung, namens Edwin Nitter. Knitelius und Nitter stammten aus guter Familie, sie waren aber beide geborene Verbrecher, die selbst vor einem Morde nicht zurückschreckten. Ihre Haupttätigkeit übten sie, wie viele andere ihres Schlages, in der Provinz aus. Knitelius, von Hause aus Kaufmann, war im Hauptberuf Juwelenschieber, im Nebenberuf aber Einbrecher. Nitter, ebenfalls ein junger Handlungsbeflissener, war in dem Grützmacherschen Detektivbureau in Berlin angestellt. Bisweilen bat er um einen längeren Urlaub. Dann verschwand er mit Knitelius aus dem Getriebe der Weltstadt. Nach einigen Wochen kehrten beide mit fröhlichen Gesichtern zurück, sie hatten in Breslau, Posen und anderen größeren Provinzstädten bei Tage Juwelenpfandscheine verkauft und des Nachts Einbruchsdiebstähle verübt, die sehr einträglich gewesen sein müssen, denn wenn sie von ihrer Kunsttournee zurückkehrten, da hatten sie

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/7&oldid=- (Version vom 24.11.2022)