Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7 | |
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In meiner langen Berufstätigkeit habe ich keinem zweiten Prozeß als Berichterstatter beigewohnt, der auch nur entfernt an die politisch-historische Bedeutung herangereicht hat, wie dieser Hochverratsprozeß, der am 11. März 1872, also vor nunmehr 40 Jahren vor dem Leipziger Bezirks-Schwurgericht begann.
Im Jahre 1870 war die sozialdemokratische Partei noch in zwei feindliche Lager gespalten. Zwischen dem Allgemeinen Deutschen Arbeiter-Verein unter dem Präsidium des ehemaligen Frankfurter Rechtsanwalts Dr. jur. Jean Baptiste v. Schweitzer, und den sogenannten „Eisenacher Ehrlichen“ herrschte grimmige Fehde. Im Norddeutschen Reichstag saßen bei Ausbruch des Krieges Dr. v. Schweitzer, der Zigarrenarbeiter Fritzsche, der Lohgerber Wilhelm Hasenclever aus Halver, Westfalen, der frühere Lehrer Fritz Mende, der Kupferschmied Försterling und der Vertreter für Altona, Zigarrenarbeiter Reimer (sämtlich Mitglieder des Allgemeinen Deutschen Arbeiter-Vereins). Die sozialdemokratische Partei (Eisenacher Richtung) war durch Liebknecht und Bebel vertreten. Am 19. Juli 1870 erfolgte von dem damaligen Kaiser der Franzosen Napoleon III. die Kriegserklärung. Dies Ereignis hatte die sofortige Einberufung des Norddeutschen Reichstages zur Folge. Die Regierung verlangte eine Kriegsanleihe von 120 Millionen Talern. Der Reichstag, einschließlich der Mitglieder des Allgemeinen
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_7_(1912).djvu/128&oldid=- (Version vom 9.3.2023)