Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7 | |
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Broschüren, Reden, Briefe, Aufrufe usw. verlesen und eine große Anzahl Zeugen vernommen waren, erschien am zwölften Verhandlungstage das Mitglied des Braunschweiger Ausschusses, der spätere Reichstagsabgeordnete Wilhelm Bracke als Zeuge. An diesen wurde eine ganze Flut von Fragen gestellt. Von Erheblichkeit war folgender Vorgang: Verteidiger Rechtsanwalt Freytag I (Leipzig): Herr Zeuge, in einem Ihrer Briefe ist von „Vorbereitung auf die Gewalt“ die Rede. Wenn ich deshalb Ihnen jetzt einige weitere Fragen vorlege, so fordere ich Sie auf, mir eine rein wahrheitsgemäße Antwort zu geben. Gleichzeitig bemerke ich Ihnen, daß, im Falle Sie irgendeinen Nachteil für Ihre Person vermuten sollten, Sie selbstverständlich keine Antwort zu erteilen brauchen. Haben Sie innerhalb des Ausschusses oder im Verein mit Bebel und Liebknecht irgendeinen Plan verabredet zu gewaltsamem Sturz des Staates? – Zeuge: Niemals; wenn ich so etwas von anderer Seite vernommen hätte, würde ich sofort den Betreffenden als einen agent provocateur behandelt haben. – Vert.: Hatten Sie bei sich selbst jemals einen solchen Plan gefaßt? – Zeuge: Nein. – Vert.: Hatten Sie, als Sie die Agitatoren, Flugschriften usw. hinaussandten, die Absicht, später einmal eine gewaltsame Erhebung zu versuchen? – Zeuge: Nein. Ein solcher Plan lag uns fern und wäre nach Lage der Dinge eine Tollheit gewesen. – Vert.: Was hatten Sie für einen Zweck mit Ihrer Partei? – Zeuge: Die Absicht, die Arbeiter über ihre Lage aufzuklären, sie zu vereinigen und zu organisieren, weil sie nur in der Vereinigung ihrer Kräfte Einfluß ausüben und Verbesserung ihrer Lage erlangen können. Wir haben die Überzeugung, daß aufgeklärte Arbeiter leichter etwas erreichen werden als ungebildete. Eine gewaltsame Erhebung lag uns fern, obgleich wir uns sagen mußten, daß hartnäckiges Verweigern der berechtigten Forderungen der Arbeiter möglicherweise eine gewaltsame Erhebung provozieren könne. Die Gehässigkeiten und Verleumdungen, mit
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_7_(1912).djvu/149&oldid=- (Version vom 15.3.2023)