Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 7 (1912).djvu/152

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7

und Bebel sind die Seele der Bewegung in Deutschland, die Häupter der sozialdemokratischen Arbeiterpartei. Sie haben den Wind mit gesäet, um Sturm zu ernten, den Sturm, der jetzt alle zivilisierten Länder durchbraust. Meine Herren Geschworenen! verurteilen Sie die Angeklagten Liebknecht und Bebel oder Sie sanktionieren die Revolution für jetzt und immer.“ – Verteidiger Rechtsanwalt Freytag I (Leipzig) führte in längerer Rede aus, daß in der vierzehntägigen Verhandlung ein Beweis, die Angeklagten haben einen gewaltsamen Angriff auf die Staatsverfassung unternehmen wollen, in keiner Weise geführt worden sei. Dies sei auch positiv durch die eidlichen Aussagen der Braunschweiger Zeugen, die doch Ehrenmänner seien, in überzeugendster Weise bewiesen worden. Der Verteidiger schloß: Ich erinnere noch an den Brief, den Herr Liebknecht zur Zeit des Krieges an Herrn Bracke geschrieben hat: „Wenn die Kaiserposse losgeht, dann wandere ich auf einige Jahre ins Exil.“ Jemand der das schreibt, hat jedenfalls nicht den Entschluß gefaßt, in seinem Vaterlande die Staatsverfassung gewaltsam umzustürzen. Meine Herren Geschworenen! Sie sanktionieren nicht die Revolution, wenn Sie die Angeklagten freisprechen, aber Sie sprechen damit aus: In unserem Staate kann man Gedanken frei aussprechen, in unserem Vaterlande kann man die Gesinnungen, die man hat, frei bekennen. In unserem Vaterlande ist es jeder Partei gestattet, ihre Tendenzen ins Volk zu tragen. In unserem Vaterlande werden Irrtümer nicht gewaltsam bekämpft. Das, meine Herren Geschworenen, sprechen Sie aus, wenn Sie die Schuldfragen verneinen. – Verteidiger Rechtsanwalt Freytag II (Plauen) schloß seine mehrstündige Rede: Ich wünsche, daß Sie bei der Beantwortung der Schuldfragen lediglich im Sinne des Rechtes entscheiden mögen. Ich wünsche, daß nicht die herrschende politische und soziale Meinung in diesem Prozesse kämpfen möge gegen eine andere Meinung, daß nicht die Verschiedenheit der politischen

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_7_(1912).djvu/152&oldid=- (Version vom 15.3.2023)