Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 9 (1913).djvu/220

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 9

sich Justizrat Levy in seiner literarischen Tätigkeit noch gesteckt hatte, und er versprach den anwesenden Freunden, ihnen schon in den nächsten Monaten die erste Lieferung seines beabsichtigten Kommentars zum Bürgerlichen Gesetzbuch zu übersenden. „Denn Montag fange ich wieder einmal tüchtig zu arbeiten an.“

Diese Absicht des trefflichen Mannes, deren Verwirklichung zweifellos sowohl der wissenschaftlich wie der praktisch tätigen Juristenwelt von größtem Nutzen gewesen wäre, war durch ein ruchloses Bubenstück in entsetzlicher Weise vereitelt worden.

Justizrat Levy wohnte in der Mohrenstraße 53, kaum zwei Minuten von der Friedrichstraße, in der das Brausen der Weltstadt auch damals schon zu keiner Tages- oder Nachtzeit verstummte. Am Morgen des 18. Oktober 1896, eines Sonntags, etwa gegen fünf Uhr lag der alte Justizrat und seine Gattin noch im tiefen Schlaf. Da plötzlich drangen zwei Mordbuben in das unverschlossene Schlafzimmer. Einer dieser Mordbuben stieß mit einem Dolchmesser sofort auf den schlafenden Justizrat los und verwundete ihn im Genick, am Kopfe und an der Brust. Der alte Herr fuhr in die Höhe. Das Geräusch, das hierbei entstand, weckte auch seine Frau. Diese sprang, während fast zu gleicher Zeit auch der Mann aus seinem Bette halb herausfiel und halb herausstieg, auf und eilte, um Hilfe schreiend, an dem Bette des Mannes vorbei, nach dem Zimmer zu, in dem das eine Dienstmädchen schlief. Dabei erhielt sie von dem einen Mordgesellen zwei Messerstiche in Schulter und Hand, die glücklicherweise nicht gefährlich waren. Justizrat Levy schleppte sich seiner Frau nach zu dem Schlafzimmer des Dienstmädchens und brach hier zusammen. Das Mädchen, das unterdessen wach geworden war und sich halb angekleidet hatte, brachte den alten Herrn in das Schlafzimmer zurück und legte ihn in das Bett seiner Frau, weil sein eigenes mit Blut über und über besuldet war. Dann eilte

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 9. Hermann Barsdorf, Berlin 1913, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_9_(1913).djvu/220&oldid=- (Version vom 26.3.2023)