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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 9

es auf die Straße den Mördern nach, die inzwischen geflüchtet waren. Gegenüber dem Levyschen Hause hielten in der Mohrenstraße vier Droschken. Der Kutscher der letzten nahm das halbnackte Dienstmädchen, das bald nach den Mördern auf die Straße kam, wickelte es in Decken, setzte es in seine Droschke und suchte nun von ihm zu erfahren, was vorgefallen sei. Das Mädchen war aber vom Schrecken so gelähmt, daß es eine verständliche Mitteilung nicht machen konnte. So kam es, daß man sich nicht sofort an die Verfolgung der Verbrecher machte, die man sonst mit einer Droschke wohl hätte einholen können. Ehe man recht wußte, um was es sich handelte, waren die Verbrecher entkommen. Vier Ärzte aus der Nachbarschaft wurden herbeigerufen, sie vermochten jedoch das Leben des alten Herrn nicht mehr zu retten. Ein Stich, der von der Achselhöhle aus in die Brust eingedrungen war, war tödlich gewesen; um 83/4 Uhr starb der Verwundete, ohne daß er imstande gewesen wäre, über die Mörder und ihre Tat noch etwas mitzuteilen. Die Verletzungen der Frau erwiesen sich als ungefährlich.

Von der Familie Levy wurden 500 Mark, vom Berliner Anwaltverein 5000 Mark Belohnung für Ergreifung der Täter ausgeschrieben. Die Polizei entfaltete eine fieberhafte Tätigkeit. Schon nach wenigen Tagen gelang es die Mörder, den am 16. Februar 1880 in Berlin geborenen Arbeitsburschen Bruno Werner und den am 6. Juli 1880 in Berlin geborenen Schlosserlehrling Willy Max Grosse zu verhaften. Die Familien der beiden jugendlichen Mörder, die den Justizrat und dessen Gattin ermorden wollten, um alsdann den Geldschrank aufzubrechen und zu plündern, wohnten in der Georgenkirchstraße 53. Die beiden Unholde waren Schulkameraden und nach ihrer Einsegnung Schreiber bei Berliner Rechtsanwälten.

Werner war vom 15. April 1894 bis 4. Januar 1896 beim Justizrat Levy, dann bis Anfang Mai beim Rechtsanwalt Golde beschäftigt, während Grosse nacheinander bei den

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 9. Hermann Barsdorf, Berlin 1913, Seite 217. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_9_(1913).djvu/221&oldid=- (Version vom 26.3.2023)