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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 9

Rechtsanwälten Feilchenfeld, Auerbach und Kurnicke beschäftigt war. Anfang Mai gaben beide ihre Stellungen auf. Werner wurde stelivertretender Bureaudiener bei der Firma Naglo, während Grosse Laufbursche wurde. Zuletzt war er als solcher in der Buchdruckerei von Hendebett in der Lindenstraße tätig, und Werner in dem ganz in der Nähe belegenen Drogengeschäft von Martin. Während seiner Tätigkeit beim Justizrat Levy hatte Werner einmal dessen Schwiegersohne, Rechtsanwalt Koffka, die Gummischuhe vom Korridor gestohlen und war deshalb entlassen worden. Als er später bei Gebrüder Naglo in der Ausstellung beschäftigt war, führte er in Gemeinschaft mit Grosse einen Diebstahl in folgender Weise aus: Die automatischen Kassetten der elektrischen Rundbahn wurden abends nach Schluß des Betriebes von dazu angestellten Knaben nach einer Zentralstelle und von dort nach der Fabrik gebracht. Werner, der sich zum Mittransport erboten, gelang es, eine der Kassetten verschwinden zu lassen und dem Grosse zuzustecken, der sich mit ihr entfernte. Der Inhalt im Betrage von etwa 100 Mark wurde geteilt.

Hierauf faßte Werner den Plan, den Rechtsanwalt Golde, bei dem er früher beschäftigt war, zu bestehlen. Er wußte, daß dort die Haus- und Korridorschlüssel auf dem Telephonkasten zu liegen pflegten, und der Bureauvorsteher die Einnahmen nur einmal wöchentlich, und zwar des Sonnabends, an Frau Rechtsanwalt Golde ablieferte. Darauf baute er seinen Plan: Sein Freund Grosse sollte die Schlüssel stehlen, und Werner wollte dann mit deren Hilfe sich der Kasse bemächtigen. Am 1. Oktober 1896 klingelte Grosse an der Wohnung des Rechtsanwalts Golde und bat das ihm öffnende Dienstmädchen um die Erlaubnis, das Telephon benutzen zu dürfen. Dies wurde gestattet, Grosse simulierte ein telephonisches Gespräch und entwendete dabei die Schlüssel. Als Frau Rechtsanwalt Golde hinzukam, entfernte er sich schnell und übergab die Schlüssel dem wartenden Werner.

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 9. Hermann Barsdorf, Berlin 1913, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_9_(1913).djvu/222&oldid=- (Version vom 26.3.2023)