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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 9

Der Schlüsseldiebstahl war aber bemerkt worden. Frau Rechtsanwalt Golde ließ noch an demselben Tage sämtliche Schlösser ändern. Beide Angeklagte begaben sich in der Zeit vom 1. bis 9. Oktober zweimal zu der Goldeschen Wohnung; das erstemal mußten sie unverrichteter Sache abziehen, weil die Wohnung bis spät nachts erleuchtet war, das zweitemal brach bei den Versuchen, die Haustür zu öffnen, der Bart des gestohlenen Schlüssels ab. — Am Sonnabend, 10. Oktober, schlich sich Werner in aller Frühe auf den Hof des Goldeschen Hauses, um allein den Diebstahl auszuführen. Unter dem Vorgeben, er sei Glaser und solle die Fenster der Goldeschen Wohnung verkitten, bat er einen Stallmann um eine Leiter. Er erhielt diese auch und gelangte so auf die an der Wohnung entlang führende Galerie und von dort in das Bureau. Hier erbrach er den Tischkasten des Bureauvorstehers, es fielen ihm jedoch nur 2,60 Mark bares Geld und für eine Mark Paketfahrtmarken zur Beute.

Nach diesem Mißerfolge reifte in den beiden Burschen der entsetzliche Plan, einen Diebstahl bei dem Justizrat Levy, Mohrenstraße 53, auszuführen und die Levyschen Ehefeute zu töten. Werner wußte, daß der Justizrat sein Geld in einem eisernen Geldschranke verwahrte, die Schlüssel dazu am Tage bei sich trug und nachts in nächster Nähe seines Lagers aufbewahrte. Die Schlüssel waren also nur zu erlangen, wenn dem Justizrat Gewalt angetan wurde. Am 14. Oktober legten beide Angeklagten ihre Arbeit nieder. Werner erhielt 6 Mark Lohn und besaß außerdem noch 1,50 Mark. Von diesem Gelde kauften sie für 5 Mark zwei gleiche schwedische Dolchmesser. Der Plan der Mordbuben ging zunächst dahin, am 16. Oktober in der Frühe an dem vorderen Wohnungseingang der Levyschen Wohnung zu klingeln, das öffnende Dienstmädchen niederzuschlagen, dann in das Schlafzimmer zu dringen und das Levysche Ehepaar zu töten. Am Abend des 15. Oktober wurde

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 9. Hermann Barsdorf, Berlin 1913, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_9_(1913).djvu/223&oldid=- (Version vom 26.3.2023)