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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 9

auf jeden Fall sich Geld zu verschaffen. Die beiden Angeklagten sind Menschen, die nirgends bei ehrlicher und ruhiger Arbeit ausharrten, sondern nur die Erwägung mit sich herumschleppten, was und wie sie wohl mehr verdienen könnten. Neben diesem Bild der Verwahrlosung ist es auch tieftraurig, zu sehen, wie diese halbwüchsigen Burschen kalt und gefühllos in ein glückliches Familienleben eingriffen. Die Angeklagten haben wie die Bestien gehandelt. Sie haben einer Frau ihr ganzes Glück geraubt und einen Mann hingeschlachtet, der eine Zierde seines Standes war, auf der höchsten, glänzendsten Höhe der Wissenschaft stand und gerade zur Zeit der Tat wieder eine wissenschaftliche Arbeit vor hatte. Die beiden Angeklagten haben die Ruhe und den Frieden des Hauses nutzlos gestört und sind mit höchster Frivolität eingebrochen in das Glück einer ganzen Familie. Die Tat, um die es sich heute handelt, hat in allen Kreisen die ungeheuerste Aufregung verursacht, welche noch bedeutend wachsen mußte, als man sah, daß so jugendliche Leute fähig waren, eine solche entsetzliche Tat kalten Blutes zu begehen. In der Öffentlichkeit ist im Anschluß hieran die Frage diskutiert worden, ob die gesetzliche Sühne der Schwere der Tat entspricht. Wenn man hört, daß diese jungen Burschen sich ganz klar darüber waren und diese Klarheit schon beim Ausbrüten des Planes in die Wagschale warfen, nämlich, daß ihnen höchstens 15 Jahre Gefängnis in Aussicht standen, so kann man sich in der Tat fragen, ob die Sühne genügt und ob solche Burschen nicht eine Strafe verdienen, die täglich und stündlich ihnen fühlbar zum Bewußtsein bringt, was es heißt, einen Menschen zu töten. An Gerichtsstelle dürfen aber solche Erwägungen, so berechtigt sie auch erscheinen mögen, nicht Platz greifen; hier darf nur das Gesetz gelten und die Strafe erkannt werden, welche das Gesetz bestimmt. Die Angeklagten suchen die Hauptschuld sich gegenseitig aufzubürden, aber ohne Erfolg, denn sie sind beide

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 9. Hermann Barsdorf, Berlin 1913, Seite 230. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_9_(1913).djvu/234&oldid=- (Version vom 27.3.2023)