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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 9

einander würdig! Sie sind von vornherein darin einig gewesen, auf unredliche Weise sich Geld zu verschaffen und sie haben die Konsequenzen dieser Absicht bis auf die letzte, schreckliche Höhe getrieben. Es ist schließlich ganz gleichgültig, wer den tödlichen Stich gegen den Justizrat geführt hat, es ist ganz gleichgültig, daß keiner der Täter sein will; die Ermordung des Justizrats und die Verwundung der Frau Justizrätin sind als eine Tat zu betrachten, für welche beide Angeklagte gleichmäßig verantwortlich sind. Daß sie die erforderliche Einsicht besessen haben, kann gar nicht zweifelhaft sein, ja, diese Einsicht ist sogar eine furchtbare gewesen. Mit vollständig klarer Überlegung aller Konsequenzen haben sie den Plan ausgeführt und mit einer Zähigkeit verfolgt, die erstaunlich ist. Mit welcher Frivolität sie gehandelt haben, ergibt sich daraus, daß, als sie den ersten Plan des Diebstahls aufgegeben und den zweiten gefaßt hatten, Werner mit unglaublichem Zynismus sagte: „Wir können nun das Dienstmädchen uns sparen!“ Das ist empörend und furchtbar! Mit Rücksicht hierauf gibt es nur eine Strafe: Die höchste, die das Gesetz zur Verfügung hat: 15 Jahre Gefängnis. Für die versuchten und vollendeten Diebstähle beantragte der Staatsanwalt noch gegen Werner Strafen von 14 Tagen, 3 Monaten, 6 Monaten, nochmals 6 Monaten und 1 Jahr Gefängnis, gegen Grosse 3 Monate und zweimal 6 Monate Gefängnis. Da das Gesetz bestimmt, daß eine Gefängnisstrafe nicht über 15 Jahre gehen darf, so beantragte der Staatsanwalt eine Gesamtstrafe von je 15 Jahren Gefängnis und Einziehung des dem Werner gehörenden Messers.

Der Verteidiger des Werner, Rechtsanwalt Dr. Ivers erklärte, daß er den Antrag vorweg nehmen wolle Anständigerweise könne er sich dem Antrage des Staatsanwalts auf Anwendung des höchsten Strafmaßes nur anschließen. Es sei schwer, selbst für den Verteidiger, einen Milderungsgrund für die grause Tat zu finden, welche die

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 9. Hermann Barsdorf, Berlin 1913, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_9_(1913).djvu/235&oldid=- (Version vom 27.3.2023)