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Hugo Friedländer: Kulturhistorische Kriminal-Prozesse der letzten vierzig Jahre, Band 1

der Großherzogin durch das Brandenburger Tor nach dem kaiserlichen Palais.

Als der Wagen am russischen Botschaftspalais Unter den Linden 7 vorüberfuhr, krachte plötzlich hinter dem kaiserlichen Wagen ein Schuß. Dasselbe Individuum, das dem Leiermann und seiner Frau schon im Tiergarten aufgefallen war, hatte sich gegenüber dem russischen Botschaftspalais aufgestellt. Als der Kaiser mit seiner Tochter vorüberfuhr, schoß der junge Mann mit einem Revolver auf den Wagen. Der Schuß ging fehl, er verletzte niemanden.

Der Attentäter war der 21jährige Klempnergeselle Max Hödel aus Zeitz, der erst kurze Zeit in Berlin war. Er machte den Versuch, zu entfliehen. Der Schuß hatte aber begreiflicherweise eine große Menschenmenge herbeigelockt. Der verwegene Bursche wurde von der Menge ergriffen und einem Schutzmann übergeben.

Der kaiserliche Wagen hatte nur kurze Zeit gehalten. Nachdem festgestellt war, daß auch der Wagen vollständig unbeschädigt geblieben, fuhr der Kaiser mit der Frau Großherzogin, unter unaufhörlichem Jubel und Hurrarufen der immer mehr anschwellenden Menge nach seinem Palais. Vor diesem hatte eine vieltausendköpfige Menschenmenge Posto gefaßt, die „Heil dir im Siegerkranz“ sang und immer von neuem in Hurrarufe ausbrach. Der Kaiser erschien mehrere Male mit seiner Tochter, der Frau Großherzogin, am historischen Eckfenster, um den ihm zujubelnden Berlinern durch freundliches Verneigen zu danken.

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Hugo Friedländer: Kulturhistorische Kriminal-Prozesse der letzten vierzig Jahre, Band 1. Continent, Berlin 1908, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Kulturhistorische_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1908).djvu/24&oldid=- (Version vom 1.8.2018)