Hugo Friedländer: Kulturhistorische Kriminal-Prozesse der letzten vierzig Jahre, Band 1 | |
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und ein kaufmännisches Geschäft zu eröffnen. Nur das erforderliche Geld habe ihm dazu gefehlt.
Er habe deshalb den Entschluß gefaßt, nach Berlin zu fahren, sich dort in der Nähe einer Postanstalt ein möbliertes Zimmer zu mieten, alsdann eine Postanweisung an sich aufzugeben und den Geldbriefträger zu ermorden und zu berauben. Da ihm das in der Taubenstraße nicht gelungen, sei er nach der ruhigeren Adalbertstraße gezogen. Nachdem er dort den Geldbriefträger Kossäth ermordet und beraubt hatte, sei er zunächst planlos in den Straßen Berlins umhergeirrt. Alsdann sei er vom Bahnhof Friedrichstraße bis Oebisfelde gefahren. Dort sei er ausgestiegen und habe im Wartesaal zwei Stunden lang auf den Zug nach Magdeburg gewartet. Jedesmal wenn im Wartesaal die Tür aufgegangen sei, sei er zusammengeschreckt. Er sei vorher niemals in Berlin gewesen.
Die Verhandlung vor dem Schwurgericht des Landgerichts Berlin I, welche vier Wochen später stattfand, dauerte nur einige Stunden. Sobbe, bis dahin niemals bestraft war, sich auch beim Militär musterhaft geführt und als Soldat keine Strafe erlitten hatte, wurde zum Tode verurteilt und einige Wochen darauf vom Scharfrichter Krauts hingerichtet.
Sobbe war ein selten schöner, kräftig gebauter, mittelgroßer Mann von 26 Jahren; er machte einen geradezu vertrauenerweckenden Eindruck; niemand hätte ihm eine solche Untat zugetraut.
Hugo Friedländer: Kulturhistorische Kriminal-Prozesse der letzten vierzig Jahre, Band 1. Continent, Berlin 1908, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Kulturhistorische_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1908).djvu/33&oldid=- (Version vom 31.7.2018)