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wir vielmehr ein Schwinden desselben annehmen, daher der Fall der Landeskirche nur eine Frage der Zeit, sonderlich seit dem Jahre 1848. Damit hört der pädagogische Einfluß der Kirche auf die Völkerwelt auf. Wer das nicht sehen kann, muß starblind sein. Seit jener Zeit erschallt das Wort: „Laßt uns zerreißen ihre Bande und von uns werfen ihre Seile.“ Die Völker wollen nicht mehr unter der Kirche sein, nicht mehr unter dem Schatten der Kirche leben, das ist die Loslösung des Volkes vom Christentum, wozu auch der Kulturkampf im letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts beigetragen hat, das Ende des christlichen Staats, welches nach der jedenfalls nur kurzen Phase des Rechtsstaates den antichristlichen Unrechts- und Willkürstaat herbeiführen wird. Die Kirche wird so gut wie am Anfang fliehen müssen aus der Öffentlichkeit in die Höhlen und Klüfte. Ist so einem falschen Optimismus begegnet, so wird doch auch einem falschen Pessimismus gewehrt, denn wenn es auch zunächst nur abwärts gehen kann, so ist das Nächste doch nicht das Letzte und das Letzte ist hinter der Niederlage, dem scheinbaren Untergang der Kirche, der Sieg und Triumph Jesu Christi. Der Sieg der Gläubigen der Endzeit ist ohne diese Hoffnung nicht zu denken.

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 Auch das will noch hervorgehoben sein, daß mit dieser Anschauung gegeben ist die Hoffnung auf eine irdische Blütezeit der Kirche, auf eine sichtbare Darstellung der Einheit der Kirche, auf eine Zeit, wo die Sichtbarkeit und Erscheinung der Kirche sich deckt mit ihrem geistlichen, inneren Wesen. Eine ganz andere Lust, ein ganz anderer Eifer zur Arbeit an der Kirche und dem Reiche Gottes hebt bei dieser Aussicht an. Man weiß ja, daß alles, was hier auf Erden für das Reich Gottes gearbeitet wird, nicht nur Vorbereitung eines jenseits des Weltbestandes liegenden Zustandes der Dinge ist, sondern, daß alles hier auf Erden in jener Glanzperiode und Blütezeit der Kirche zur Darstellung kommen wird. Bei der herkömmlichen Ansicht erscheint die ganze Kirche auf Erden lediglich als ein Baugerüst, nichts anderes, das zusammengeschlagen wird, wenn der Bau vollendet ist. Ist aber die Hoffnung die, daß die Kirche als sichtbare Gemeinde Jesu Christi herrlich nochmals dargestellt wird vor aller Welt, so kann man ja dem Trost sich hingeben und zum Eifer sich ermutigen lassen, daß alles, was im Reiche Gottes gearbeitet ist, nicht vergeblich gearbeitet ist, sondern auch hier noch zur Darstellung kommt. Zu einem irdischen Sieg kommt das Reich Gottes hier noch, und das gibt eben eine