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 Dies ist die Erscheinungsform des bösen Gewissens, d. h. das Gewissen ist nicht böse, sondern der getreue Spiegel von der Bosheit des Subjekts (Hebr. 10, 22), es heißt ein beflecktes, 1. Kor. 8, 7; die Sünder sind gebrandmarkt in ihrem Gewissen, 1. Tim. 4, 2. Das Gewissen warnt aber auch, wenn die That nur in der Gesinnung, in der Vorstellung vollzogen war, durch die Empfindung aller unseligen Folgen. Wird die Warnung nicht beachtet, folgt die böse That, so treten die obenerwähnten Folgen ein, die bis in die Ewigkeit reichen, wenn nicht die Schuld durch den Glauben an Christi Blut getilgt wird.


§ 27.
Das Gewissen als Quelle der sittlichen Erkenntnis.

 Das Gewissen als mit seinem Inhalt, dem Sittengesetz, erfüllt gedacht, ist die ursprüngliche Quelle der sittlichen Erkenntnis. Mit Hilfe des generalisierenden Verstandes vermag das Gewissen ein System der natürlichen, sittlichen Erkenntnis zu konstruieren, Röm. 2, 15. Indessen ist die sittliche Erkenntnis, welche der Mensch aus dem Gewissen schöpft, eine mangelhafte und seit dem Sündenfall vielfach beeinträchtigt und getrübt.

 Im übrigen s. § 23.


§ 28.
Die Korruption des Gewissens nach dem Fall infolge seines organischen Zusammenhangs mit den andern Geistesthätigkeiten, die sämtlich von der Sünde korrumpiert sind.

 Da das Gewissen mit dem übrigen Vermögen des menschlichen Geistes aufs engste zusammenhängt, so ist es erklärlich, daß auch seine normale Thätigkeit gehemmt und getrübt ist, wenn die andern Organe eine solche Hemmung und Trübung erfahren. Da nun die Korruption infolge der Sünde den ganzen geistigen Wesensbestand des Menschen ergriffen hat, so kommt auch die Rückwirkung derselben bei allen Funktionen des Gewissens zur Erscheinung, und dies macht sich auch im Leben des Wiedergeborenen noch geltend. Der Wille ist korrumpiert, und die Rückwirkung dieser Korruption auf das Gewissen äußert sich darin, daß die verpflichtende und abschreckende Thätigkeit des Gewissens ihre Energie verloren hat. Das Gefühl ist gleichermaßen verderbt. Die Schönheit des Guten besitzt für