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Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267

als berühmter Hexenrichter galt, sein erstes Verhör erstehen. Es wurden ihm dabei über seine Flucht und über die von ihm früher ausgestoßenen Reden sechzehn Fragen vorgelegt, die, der Handschrift nach zu urtheilen, direkt aus der fürstlichen Canzlei gesendet worden waren, und die fast sämmtlich darauf zielten, den armen Thomas wegen seiner freien Reden zu packen und dem Verderben zu weihen. Die ersten bezogen sich auf Personalien, die dritte und vierte fragten, wann und warum er ausgerissen? Seine Antwort lautete: er sey vor ungefähr acht Tagen weggegangen, habe es aber vorher dem Herrn Kapuziner geklagt, warum er es thun müsse. Als Ursache seiner Flucht gab er die schon in seinem Briefe an den Bürgermeister Nachtrab angeführten Gründe an, denen er noch folgende hinzufügte: „Der Malefizschreiber sey ihm auf der Gasse begegnet, ihm aber sichtlich ausgewichen. Der Gassenvogt habe ihm öffentlich in der Krone unter die Augen gesagt, er stehe auch schon darin (nämlich im Verzeichniß der Bezüchtigten); auch habe er ihm früher etwas sagen wollen, nähme jezt aber nicht hundert Thaler darum, wenn er es gethan. Solche und ähnliche Reden hätten ihn zur Flucht bewegen müssen. Ueberdieß betheuerte er hiebei auf das Höchste, daß er vom Laster der Hexerei ganz frei sey, sonst wäre er gewiß nicht wieder heimgekommen, denn er sey genugsam, sonderlich vom hiesigen Hauptmann, gewarnt worden. Gott kenne sein Herz.“ 5) Ob er während seines Vagirens Briefe hereingeschrieben habe? „Ja, an sein Weib zwei, an den lateinischen Schulmeister, an den Bürgermeister Nachtrab, den er ihm selbst gegeben.“ – 6) Was in den Briefen gestanden und wo er sie jezt habe? – „Wahrscheinlich würden sie noch im Besitz der Personen seyn, an die sie gerichtet. Er habe ihnen seine Unschuld geklagt.“ – 7) Ob er ihnen nicht auch unter andern geschrieben, daß den Leuten Unrecht und Gewalt geschehe? – „Dieß habe er nur auf sich bezogen, denn wenn ihm etwas geschehe, so geschehe ihm Unrecht und Gewalt.“ – 8) Ob er wisse, daß Jemand Unrecht geschehen und von wem? – „Gott solle ihn behüten, dieß könne er nicht sagen.“ – Die 9te und 10te Frage bezogen sich auf die Personen, die ihn feindlich angesehen. 11) Was er von der justificirten Braunin gehört? – „Sie habe öffentlich gesagt: Gott wisse, wie ihr’s um’s Herz sey. Sie sey kein solch Weib, sonst wolle sie viel hundert Meilen Wegs hinweg seyn. Behüt’ Gott ein jedes Menschenkind vor dem Neuhaus; wenn der Frömmste hinauf kommt, muß er eine Hexe seyn.“ – 12) Ob er diesen Prozeß nicht ein Blutbad geheißen? – „Das habe er geschrieben, damit aber Niemand besonders gemeint.“ – 12) Aus welcher Ursach das geschehen? – „Weil er geglaubt, daß den Leuten Unrecht geschehen.“ – 14 und 15) Ob er nicht Wein verkauft und das Geld dafür habe auswärts empfangen wollen, um es auf der Flucht zu benutzen? – „Ersteres sey wahr, Lezteres aber nicht, weil er ja bis Philippi und Jakobi das Geld habe wollen stehen lassen.“ – 16) Ob er nicht schon früher und wenn man vom Hexenwerk geredet, es nicht defendiret und bloß für eine Phantasey gehalten? – „Er habe alleweil gesagt, wenn nur Niemand Unrecht geschehe.“ – Hiemit war das Verhör geschlossen.

An demselben Tage hatte man auch die Wächter, die ihn in seinem Hause festgenommen und auf dem Rathhause bewacht hatten, über die von ihm sowohl bei seiner Verhaftung als im Gefängniß ausgestoßenen Reden vernommen. Sie gaben an: als der Hauptmann ihm in seinem Hause angekündigt habe, daß er des gnädigsten Fürsten und Herrn Gefangener sey, habe er geantwortet: „O ihr ehrlichen Bürger, wenn mir solches geschieht, fürchte sich ein Jeder und alle fromme Christen. O Fürst! o Fürst! wie fangst du ein Blutbad an!“ Ein Anderer gibt an, auf dem Rathhause habe Thomas gesagt: von Georg Braunens Weib habe er, als man sie vom Neuhaus herab zur Hinrichtung geführt, so viel verstanden, daß ihr Gewalt und Unrecht geschehe; der König Nero habe auch ein solches Blutbad angestellt, das sey aber auf ihn zurückgefallen. Jezt müsse er sehen, daß allen den als Hexen verbrannten Leuten groß Unrecht geschehen. „Bin ich nicht ein doppelter Narr, daß ich schon draußen gewesen und nicht draußen geblieben bin! Wollen die Herrn ihre Hände auch in meinem Blut waschen? Allen jenen Leuten geschieht großes Unrecht, am meisten aber der Braunin. Ihr lieben Leute, hebt man mit mir an, so habt Acht, wie es ein Blutbad geben wird u. s. w.“

(Fortsetzung folgt.)
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1844, Seite 1043. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedrich_von_Rath_Hexenprozesse.pdf/37&oldid=- (Version vom 9.12.2016)