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Albrecht von Haller: Gedanken vom Saufen, und dessen Schädlichkeit aus: Der physikalische und oekonomische Patriot Oder Bemerkungen und Nachrichten aus der Naturhistorie, der allgemeinen Haushaltungskunst und der Handlungswissenschaft, 3 Teil, 3 Quartal, S. 296–309

übermäßig trinkt, als andre; weil im ersten Falle der Grad des Rausches größer ist, als im letztern. Man könnte hier einige Unterscheidungen machen, die aber das Wesentliche der Wirkungen nicht verändern; und die Wahrheit zu gestehen, so ist es nicht einmal dienlich, durch solche Spitzfindigkeiten einem Säufer zu Ausflüchten behülflich zu seyn. Ich rede hier bloß von denjenigen Wirkungen, die ich im ersten Stücke dieser Abhandlung angeführt habe, hauptsächlich von der Wassersucht. Es giebt aber auch noch eine große Reihe anderer Krankheiten, die aus der Völlerey entspringen, und wobey auf die Beschaffenheit der berauschenden Getränke mehr ankömmt. So giebt es eine Art Biere, die die Harnstränge verursachen; es giebt Weine, die den Magen versäuren oder schwächen; es giebt andre, welche die Entwickelung der gichtischen Materie befördern. Der Branntwein macht die Fäsergen des Magens steif, und zieht sie zusammen, er coaguliret die Säfte, und versäuret den Magen. Der Most verdirbt die Verdauungskräfte, u. s. w. Diese Verschiedenheit der Wirkungen ist gewiß: allein ich würde eine sehr weitläuftige Abhandlung schreiben müssen, wenn ich die Schädlichkeit aller Arten berauschender Getränke insbesondere untersuchen wollte. Ich bleibe hier bloß bey solchen Wirkungen bestehen, die eine jede Art der Völlerey nach sich zieht, sie mag herrühren, von welcher Art von Getränken sie will. Ein Säufer kann sich darauf verlassen, daß alle besondere Wirkungen gewisser Arten von Getränken gewiß und wahrhaftig lauter Krankheiten, lauter beschwerliche, und oft unheilbare Uebel, sind, womit er seine Ausschweifungen der Natur bezahlen muß.

Unter die allgemeinen Wirkungen berauschender Getränke gehören auch diejenigen Krankheiten, welche schnell und unmittelbar von der heftigen Wallung des Geblüts entstehen, und das sind die Blutflüsse. Der Trieb des Geblüts, welcher, wie ich oben erwiesen habe, alle Gefässe über ihre Macht ausdehnet, ist sehr leicht geschickt, eine kleine Blutader entweder zu weit auszudehnen, oder zu zersprengen; und hiervon entsteht eine Ergießung des Geblüts, welche um desto gefährlicher ist, je schwerer man das in Wallung gesetzte Geblüt wieder besänftigen kann. Wie oft geschiehet es nicht, daß ein Säufer in der Trunkenheit Blut hustet, und ein Lungengeschwür zur Beute davon trägt. Wie oft erfolgt nicht ein unmäßiges Nasenbluten, Blutharn, und der ungestüme Ausfluß der güldenen Ader, nach der Trunkenheit. Wie viel unglückliche Blutflüsse haben nicht Frauenzimmer betroffen, die sich dem Saufen ergeben haben! Um dieser Ursache willen sollte ein Säufer, besonders wenn er wegen der Vollblütigkeit zu dergleichen Krankheiten geneigt ist, die hitzigen Getränke ärger als Gift scheuen: denn die Gefahr ist unvermeidlich, und der Tod begleitet die Gefahr.

Das Verderben des Magens gehöret auch mit unter die allgemeinen Wirkungen des Saufens. Verschiedene Getränke wirken dasselbe zwar auf verschiedene Weise: allein was ist hieran gelegen, wenn doch ein- für allemal die Wirkung allgemein ist? Die Uebligkeit und das Erbrechen sind beständige Gefährten einer großen Trunkenheit; und der Mangel des Appetits und Ekel vor den Speisen begleitet sie in den folgenden Tagen. Man findet Säufer, die kaum so viel Speise vertragen können, als das kleinste Kind, und die sich fast von lauter flüßigen Speisen ernähren müssen. Man kann

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Albrecht von Haller: Gedanken vom Saufen, und dessen Schädlichkeit aus: Der physikalische und oekonomische Patriot Oder Bemerkungen und Nachrichten aus der Naturhistorie, der allgemeinen Haushaltungskunst und der Handlungswissenschaft, 3 Teil, 3 Quartal, S. 296–309. Grund, Hamburg 1758, Seite 304. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gedanken_vom_Saufen,_und_dessen_Sch%C3%A4dlichkeit.pdf/9&oldid=- (Version vom 1.8.2018)