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Seite:Geistliche Oden und Lieder-Gellert.djvu/130

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Demuth.

Herr, lehre mich, wenn ich der Tugend diene,
Daß nicht mein Herz des Stolzes sich erkühne,
Und nicht auf sie vermessen sey.
Herr, lehre mich, wie oft ich fehle, merken.

5
Was ist der Mensch bey seinen besten Werken?

Wenn sind sie von Gebrechen frey?

     Wie oft fehlt mir zum Guten selbst der Wille?
Wie oft, wenn ich auch dein Gebot erfülle,
Erfüll ichs minder, als ich soll!

10
Sind Lieb und Furcht stets die Bewegungsgründe

Der guten That, der unterlaßnen Sünde?
Und ist mein Herz des Eifers voll?

     Gedenke nicht der Sünden meiner Jugend,
Gedenke nicht der unvollkommnen Tugend

15
Der reifern Jahre meiner Zeit.

Wenn ich noch oft aus Stolz nach Tugend strebe,
Aus Menschenfurcht mich Lastern nicht ergebe;
Was ist denn meine Frömmigkeit?

Empfohlene Zitierweise:
Christian Fürchtegott Gellert: Geistliche Oden und Lieder. Weidmannische Handlung, Leipzig 1757, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geistliche_Oden_und_Lieder-Gellert.djvu/130&oldid=- (Version vom 31.7.2018)