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inmitten neben dem Verfall der königlich-fränkischen Staatsgewalt.[1] Anders urteilt Deinhardt, der gerade den Filialverhältnissen große Wichtigkeit beimißt.[2] Man muss in der Tat fragen, ob die genannte Reformbewegung wirklich so tief einschneidend war, daß sie nicht nur die Macht der kirchlichen Hoheitsträger (Bischöfe, Klöster) gegenüber dem vielfachen Unwesen der Eigenkirchen hervorragend stärkte, sondern auch auf die äußeren kirchlichen Verhältnisse, wie Pfarrzugehörigkeit, Pfarrechte und dergleichen umgestaltend einwirkte. Bei der Betrachtung vieler Zustände noch lange nach dieser Reformzeit gewinnt man den Eindruck, daß die Reformbewegung sich nicht, wenigstens nicht tiefer nach dieser Seite hin auswirkte. Wie hätte es sonst z. B. geschehen können, daß die mit Großhaslach gar nicht zusammenhängenden Orte um Reuth bei Neuendettelsau (Reuth, Moosbach, Wollersdorf, Triebendorf, Watzendorf, Mausendorf, Aich) trotz aller kirchlichen Schwierigkeiten und Beschwerden doch bis 1473 bei der Pfarrei Großhaslach verbleiben mußten, obwohl sie ganz nahe bei den Pfarreien Petersaurach, Neuendettelsau und Windsbach lagen. Es wurden da die offenbar aus ältester Zeit stammenden Parochialverhältnisse trotz der unhaltbaren Zustände aufrecht erhalten. Das berechtigt auch für andere alte filialkirchliche Zusammenhänge im allgemeinen gleiches Fortbestehen bis in spätere Zeit vorauszusetzen, solange nicht gewichtige geschichtliche Tatsachen dagegen sprechen.

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 Was die vermögensrechtlichen Verhältnisse betrifft, so ist daran zu erinnern, daß das Kirchenkapitular Ludwigs d. Fr. im Jahre 818/19 bestimmte[3]: Jedem Geistlichen an einer Eigenkirche ist eine ganze Hufe Land (unus mansus) nebst den Zehnten und Oblationen, dem Pfarrhaus, Kirchhof und Pfarrgarten ohne Entgelt, nur gegen Leistung des kirchlichen Dienstes zur Leihe zu geben. Die Bestimmung wurde 823/25 auch auf die bischöflichen Kirchen ausgedehnt. Den Zehnten, der ursprünglich eine freiwillige Leistung war, hatte schon Karl d. Gr. obligatorisch gemacht. Selbst den Königsgütern wurde seine Abgabe zur Pflicht gemacht, ja sogar den neubekehrten Sachsen auferlegt.[4] Die Zehnten sollten stets bestimmten Kirchen gehören und selbst dann dabei verbleiben, wenn eine neue Kirche im Raum der alten Parochie abgezweigt wurde. Letztgenannte Bestimmung wurde allerdings später abgemildert und dem Willen der Bischöfe anheimgestellt[5] Gewiß ließen es die Grundherren an der Durchführung dieser Bestimmungen bei den ihnen gehörigen Eigenkirchen und Eigenpfarreien oft sehr fehlen. Obwohl die Kirche erklärte, daß Zehnten in den Händen von Laien Sünde sei[6], glitt doch nur allzu oft dieser Einkommensteil der Kirche ganz oder doch teilweise in die Hände der weltlichen Herren hinüber, und auch die Klöster wußten davon nicht wenig an sich zu ziehen. Bekannt ist die Tatsache, daß im späteren Mittelalter Zehntrechte geradezu verkauft und gekauft werden konnten. Daraus erhellt, daß das Vorhandensein oder Fehlen von Zehntrechten bei einer Pfarrei in der Folgezeit keinen absolut sicheren Maßstab abgeben kann für die Verhältnisse bei der Gründung der Pfarrei. Immerhin darf auch hier ein starker Konservatismus mit in Rechnung gesetzt werden;


  1. Weigel 16, 1 ff.
  2. Deinhardt 3.
  3. R. E. 15, 16.
  4. R. E. 21, 633.
  5. Hauck II, 739.
  6. R. E. 21, 634.