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Läßt sich dieser Standpunkt rechtfertigen? Wir nehmen beispielsweise die von Weigel so stark in den Vordergrund gerückten Orte, deren Namen auf „bach“ auslauten. Sagt er nicht selbst mit vollstem Recht von ihnen:[1] „bach“ und „ach“ kommen auf allen Stufen des Ausbaus vor, ganz früh und ganz spät?“ Darf man sie dann unbesehen alle in die erste Siedlungsperiode einreihen? Oder wir denken an die Orte auf –heim“, deren es 3 in dem von Weigel umrissenen Beobachtungsraum gibt. Sie sind alle drei mit Sachbezeichnungen zusammengesetzt: Claffheim mit dem Klaff (= Klapperkraut, wucherndes Unkraut)[2], Sauernheim mit saurem-sumpfigen Wiesenboden, Speckheim mit einer durch das Sumpfgelände bedingten Specke (= Knüppeldamm). Überall erscheint hier der Begriff „heim“ so abgeblaßt) daß er nur noch in der allgemeinen Bedeutung von Ort, Platz, Stätte gefaßt werden kann. Darf er so mit den typischen „heim“-Orten in Unterfranken oder auch im mittleren Altmühlgrund zusammengestellt und auf die gleiche Altersstufe versetzt werden? Ähnlich steht es mit den vereinzelt auftretenden Ortsnamen auf „ingen“ (Külbingen, Zellrüglingen), die weder gleichalterig noch gleichwertig mit den altschwäbischen „ingen“-Orten sind, vielleicht überhaupt nur ein sogenanntes falsches „ing“ enthalten. Vereinzeltes „hausen“ ist ähnlich zu würdigen (Schalkhausen). Kurz, wir stoßen überall auf größte Schwierigkeiten und Irrgänge, wenn wir uns nur auf die Form und Zusammensetzung der Ortsnamen stützen wollen.

 Gewiß kann uns die Gestalt der Ortsnamen vielfach Aufschluß geben über die Zeit der Siedlung und die Art derselben, häufig auch über den siedelnden Volksstamm und hin und wieder einmal über den Siedlungsherrn. Aber sie können das nur im Rahmen der Landschaft, in der sie stehen, und im Rahmen der allgemeinen Geschichte, darin sie auftreten. Niemals aber bieten sie uns ein Schema dar, nach dem wir sozusagen blindlings arbeiten könnten. Daraus ergibt sich die allgemeine Regel, daß wir zuerst die Landschaft und ihre Geschichte zu uns reden lassen müssen, ehe wir an die geschichtliche Einstufung der Orte und an die Wertung ihrer Siedlungsnamen herantreten. Eine durch keinerlei Vorurteil gebundene Stellungnahme ist darum bei der Siedlungsforschung von vornherein unbedingt geboten. Dr. Weigel deutet das selbst an, wenn er schreibt: „Die frühmittelalterlichen Besiedlungsvorgänge sind außer von der allgemeinen politischen Entwicklung auf das stärkste bedingt von der Raumlage der Landschaft, ihrer Bodenbeschaffenheit usw.[3]“ Gerade das letztere ist das Ausschlaggebende für die Besiedlung, die Bodenbeschaffenheit. Weigel hat das jedoch nicht weiter verfolgt, jedenfalls aus dem naheliegenden Grunde, weil ihm dazu die nötigen Unterlagen fehlten, die nur aus einer genauen Kenntnis der Ortslagen, ihrer Flurverhältnisse und der Bonität ihres Grund und Bodens gewonnen werden können. Hierüber wird deshalb vor allem bei der nachfolgenden Siedlungsgeschichte des mittleren Rezatgebietes zu handeln sein.

 Hier sei nur noch Eines betont: Es geht nicht an, den geschichtlich überlieferten Ortsnamen da und dort noch eine ältere Namensform unterzulegen, wenn keine urkundliche Beglaubigung oder sonst kein zwingender


  1. Weigel 14, 77.
  2. J. A. Schmeller, Bayer. Wörterbuch I., 1326.
  3. Weigel 16, 3.