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Tiflis.

Obgleich wir erst gegen Mitternacht in Tiflis ankommen, so herrscht doch noch ein geräuschvolles Leben auf seinen Strassen, denn Tiflis schläft fast nie, es sei denn zur Mittagsstunde, wenn die Sonne ihre brennend heissen Strahlen auf seine Strassen herniedersendet und die Bewohner in ihren Häusern gefangen hält. Ja, die Sonne ist hier um die Mittagszeit wie ein Gefängniswärter, der streng die Ausgänge aller Häuser bewacht. Um diese Tageszeit erstirbt alles Leben auf den Strassen, die Fenster werden geschlossen und mit dichten Vorhängen verhangen, die Gallerieen und Balkone sind menschenleer, Pferde, Esel und Büffel ruhen irgendwo im Schatten, auf dem Bazar stockt aller Verkehr und die Kaufleute hocken halb verschlafen tief im Innern ihrer Läden.

Gegen sechs Uhr abends, wenn sich schon die Sonne dem Horizonte zuneigt, erwacht das Leben von neuem. Die Fenstervorhänge verschwinden, ihre Flügel werden geöffnet, die Gallerieen beleben sich, auf den Strassen zeigen sich Menschen und Tiere und eine lange Wagenreihe zieht hinaus nach Muschtaid oder anderen Vergnügungsgärten.

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Arthur Leist: Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig 1885, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georgien._Natur,_Sitten_und_Bewohner.pdf/12&oldid=- (Version vom 1.8.2018)