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auch vielen Frauen, besonders Georgierinnen und Armenierinnen, die fast dieselbe Tracht tragen und sich nur durch den Gesichtstypus von einander unterscheiden. Frauen und Mädchen der ärmeren Klassen tragen gewöhnlich weite dunkelfarbige oder völlig schwarze Kleider und als Kopfbedeckung ein gesticktes Sammetkäppchen mit einem über die Schultern herabwallenden Schleier. Oft vertritt den Schleier ein schwarzes Tuch, welches wie dieser einen keineswegs geschmackvollen Kopfputz abgiebt und zudem noch die Haare völlig verdeckt.

Über die Schönheit der Georgierinnen hat man schon viel geschrieben und zwar widersprechen einander in dieser Hinsicht die Meinungen vieler Schriftsteller. Schöne Georgierinnen giebt es allerdings nicht wenig, aber es wäre Übertreibung zu versichern, dass unter ihnen die hässlichen nur zu den seltenen Ausnahmen gehörten. Dem ist nicht so und der Umstand, dass alle Georgierinnen dieselben regelmässigen Gesichtszüge haben, verleiht ihren Reizen eine gewisse Einförmigkeit, die zuletzt langweilt. Aus ihren grossen, dunkeln Augen spricht viel Sanftmut, aber nur wenig Glut, die doch jedem schönen Frauenantlitze so viel Zauber verleiht. Wenn sich die Georgierin beim Tanze oder einer fröhlichen Unterhaltung etwas aufregt, wird sie allerdings entzückend, aber dagegen gleicht sie einer leblosen Bildsäule, wenn sie schweigend und mit niedergeschlagenen Augen fast bewegungslos dasitzt.

Übrigens ist die Schönheit und Frische der Georgierinnen nicht von Dauer, für sie besteht nur ein Lenz, der Sommer aber ist schon Herbst, denn im Alter von einigen zwanzig Jahren beginnen ihre Reize zu welken und sie welken schnell wie alle Blumen unter den glühenden Strahlen der Sonne Georgiens. Deswegen sind hier hingewelkte Schönheiten eine äusserst gewöhnliche Erscheinung und die meisten Frauen sind schon alt ehe sie noch ihr vierzigstes Jahr erreicht haben.

Empfohlene Zitierweise:
Arthur Leist: Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig 1885, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georgien._Natur,_Sitten_und_Bewohner.pdf/21&oldid=- (Version vom 1.8.2018)