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Jedenfalls jedoch kommt den Georgierinnen neben den Tscherkessinnen, was Körperschönheit anbelangt, die erste Stelle unter den Frauen des Kaukasus zu und die Armenierinnen stehen ihnen schon bedeutend in dieser Hinsicht nach. Die letzteren unterscheiden sich von den Georgierinnen sowohl durch ihren dunkleren Teint, als auch durch weniger grosse Augen, aus denen jedoch mitunter viel Glut und Energie spricht.

Es wäre hier am Orte auch den in Tiflis wohnenden Perserinnen und Tatarinnen einige Worte zu spenden, doch diese geheimnisvollen Wesen verbergen sich sehr sorgfältig vor den Blicken der Männer und wenn sie auf dem Bazar erscheinen, so sind nicht nur ihr Gesicht, sondern die ganze Gestalt in dichte Tschadren gehüllt. Nur zwei Musulmaninnen gelang es mir zu Gesicht zu bekommen und zwar geschah dies ganz zufällig, als ich eines Tages in den engen Gassen der Altstadt umherschlenderte, denn weder Sulejma noch Fatma vermuteten wohl, dass unter ihren Balkonen ein neugieriger Frengi vorbeischleiche. Sulejma, eine bildhübsche Brünette mit wahrhaften Feueraugen näherte sich eben in ihrem Morgengewande dem Balkongeländer, um ein mit Wasser gefülltes Waschbecken auf die Strasse auszugiessen. Doch in demselben Augenblicke bemerkten mich die Gazellenaugen des Mädchens, es trat einen Schritt zurück, ihre Hände begannen zu zittern und o Xantippe! die halbe Füllung des Waschbeckens floss auf mich herab.

— Merçi, ma belle fille! rief ich aus und Sulejma errötete wie eine Rose. Fatma überraschte ich, neugierig durchs Fenster blickend, beim Spiegel, als sie ihre herrliche Zöpfe flocht.

Ausser diesen zwei kostbaren Perlen die nur den einzigen Makel hatten, dass ihre Kleider etwas schmutzig waren, habe ich keiner Perserin oder Tatarin ins Antlitz geschaut und vielleicht hege ich auch nur deswegen einen

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Arthur Leist: Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig 1885, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georgien._Natur,_Sitten_und_Bewohner.pdf/22&oldid=- (Version vom 1.8.2018)