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zweirädrigen Wagen, die gewöhnlich von Büffeln gezogen werden, oder auch in runden von Eseln getragenen Körben. Meistens hat eine ganze Reihe solcher Lasttiere nur einen Treiber und der Anblick dieser kleinen Karawanen ist nicht ohne einen gewissen poetischen Reiz, besonders wenn man ihr im Gebirge, in einer wildromantischen, menschenleeren Gegend begegnet. Die Esel sind übrigens auf den Strassen von Tiflis eine sehr gewöhnliche Erscheinung, und ich sage dies ohne die geringste Anspielung auf die zweifüssigen Bewohner dieser Stadt. Auf Eseln bringt man hier auch Heu, Kohlen, Wasser und Holz zu Markte, so dass man sie, besonders Vormittags, scharenweise auf allen Strassen sehen kann.

Wie alle grösseren Städte hat auch Tiflis seine charakteristischen Strassentypen, von denen in erster Reihe der Kohlenverkäufer in die Augen fällt. Es ist das ein Köhler par excellence, dem nicht nur seine Kleidung und Gesichtsfarbe gleichen an Schwärze der Kohle, sondern auch sein Haar und seine Augen. Eine nicht minder interessante, typische Gestalt ist der Wasserverkäufer, ein sonnenverbrannter Bursche, der fast ohne Unterbrechung cchalli, cchalli! Wasser, Wasser! ausruft und zwar mit so klagend singender Stimme, dass man zu glauben geneigt ist, er litte selbst Tantalusqualen. Seine Waare bringt er einem grossen über den Rücken eines Pferdes oder eines Esels gehängten Lederbalge in die Stadt. Das Wasser ist übrigens in Tiflis wegen der weiten Entfernung der Brunnen ziemlich kostbar und deswegen bewacht auch der Wasserverkäufer seine Waare sehr aufmerksam und hat oft Händel mit Strassenjungen oder Eckenstehern, die es wagen aus seinem Wasserbeutel unentgeltlich ihren Durst zu löschen. In ähnlichen Bälgen, die gewöhnlich aus dem ganzen Felle eines Büffels oder Schafes verfertigt werden, verschickt man hier auch oft den Wein, was natürlich seinem Wohlgeschmacke nachteilig ist.

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Arthur Leist: Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig 1885, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georgien._Natur,_Sitten_und_Bewohner.pdf/24&oldid=- (Version vom 1.8.2018)