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edlen Schwung der Bewegungen wie die Lesginka, deren Figuren eine höchst ansprechende Harmonie besitzen und doch dabei fast ungestüm in ihren Wendungen sind.

Wenn der Tanz beginnt, bildet die ganze Gesellschaft einen Kreis um die Tänzer und klatscht mit den Händen nach dem Takte oder sucht die Tanzenden durch Rufe aufzumuntern, wofür diese wieder mit einer Verbeugung, einem Lächeln oder freundlichen Blicken danken. Diese Dankesbezeigungen verleihen besonders Frauen und Mädchen einen unwiderstehlichen Reiz, so dass oft ihr Fächeln oder ihre Verbeugungen von neuem stürmischen Beifall hervorrufen.

Am besten tanzen die Lesginka die Bewohner der Berge, besonders die Tscherkessen, deren Frauen im ganzen Morgenlande durch ihre ungewöhnliche Schönheit bekannt sind. Die Nationaltracht der Tscherkessinnen ist zwar keineswegs geschmackvoll, aber sie selbst sind fast durchweg reizend und oft geradezu bezaubernd. Wie die Georgierinnen sind sie auffallend schüchtern, aber ihre fast kindliche Schüchternheit ist nicht die Folge angeborener Furcht, denn im Gegenteil sind die Tscherkessinnen sehr mutig und nie überkommt sie ein Zittern, wenn ihr Tänzer in unmittelbarer Nähe den Dolch schwingt oder während des Tanzes eine Pistolenkugel vor ihren Füssen in den Erdboden schlägt. Nein, diese Tochter der Berge, die täglich in die schrecklichsten Abgründe schaut und auf feurigem Rosse an den Rändern tiefer Klüfte dahinsprengt, die von Kindheit an den Donner der Lawinen, das Brausen der Stürme und Geheul der Wölfe und Hyänen gewöhnt ist, diese schöne Rose der Berge kennt keine Furcht und ruhig bleibt ihr reizvolles Auge im Augenblicke der Gefahr.

Heute ist die Lesginka noch in ganz Georgien sehr beliebt, jedoch in den grösseren Städten wie Tiflis und Kutais, wo sich schon ein fast ganz europäisches Salonleben

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Arthur Leist: Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig 1885, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georgien._Natur,_Sitten_und_Bewohner.pdf/34&oldid=- (Version vom 1.8.2018)