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treten „Solisten“ auf und der Tolumbascha legt nun sein Amt nieder.Der „Solist“ schänkt sich vier Gläser ein und bringt vier verschiedene Toaste aus, worauf er die Gläser seinem Nachbar übergiebt, der nun dasselbe zu thun verpflichtet ist. Bei sehr feierlichen Gelegenheiten bedient man sich grosser Füllhörner, die drei, vier und mehr Flaschen Wein fassen, zu deren Leerung sich jedoch nur wirkliche „Meistertrinker“ bereitwillig zeigen. Übrigens ist der Kachetinerwein, welcher fast ausschliesslich in Georgien genossen wird, immer rein von Alkohol und nicht sehr stark, so dass man ein bedeutendes Mass ohne unangenehme Folgen vertilgen kann. Auch ist man des Klimas wegen auf den Genuss des Weines angewiesen und das Wasser ist wegen des hier oft herrschenden Fiebers geradezu schädlich. In der Provinz Kachetien giebt es Häuser, wo nie Wasser auf den Tisch kommt, da man es gar nicht für ein dem Menschen geziemendes Getränk betrachtet.

Nach Beendigung des Mahles erheitert sich die Tischgesellschaft gewöhnlich noch lange durch Gesänge, besonders wenn die Klänge des Tschunguri oder der Surna die Gäste dazu aufmuntern.

Den Gesängen folgen oft Tänze, von denen die „Lesginka“ der beliebteste ist. Sobald ihre Klänge erschallen, erheben sich Alle von ihren Sitzen, um am Tanze Teil zu nehmen oder ihn wenigstens zu bewundern, denn die Lesginka entspricht mehr als jeder andere Tanz dem Temperamente des Georgiers. Getanzt wird sie von einem Manne in Begleitung einer Frau oder eines Mädchens, wobei sich jedoch die Tänzer nicht an den Händen halten, sondern getrennt die verschiedenen Figuren ausführen. Während des Reigens nimmt der Tanzwirbel immer schnellere Wendungen an und erreicht schliesslich eine fast rasende Geschwindigkeit, wodurch jedoch die Bewegungen der Tänzer weder an Grazie, noch an Anstand verlieren. Wenig Tänze erfordern soviel Körpergewandtheit und einen so

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Arthur Leist: Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig 1885, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georgien._Natur,_Sitten_und_Bewohner.pdf/33&oldid=- (Version vom 1.8.2018)