aber war mir’s, als blickten mich lauter fremde Augen, Blumenaugen, Basiliskenaugen, Pfauenaugen, Mädchenaugen wundersam an: an manchen Stellen ward es lichter — ich glaubte Mozart’s „Là ci darem la mano“ durch hundert Akkorde geschlungen zu sehen, Leporello schien mich ordentlich wie anzublinzeln und Don Juan flog im weißen Mantel vor mir vorüber. „Nun spiel’s” meinte Florestan. Eusebius gewährte; in eine Fensternische gedrückt hörten wir zu. Eusebius spielte wie begeistert und führte unzählige Gestalten des lebendigsten Lebens vorüber; es ist, als wenn die Begeisterung des Augenblicks die Finger über das gewöhnliche Maaß ihres Könnens hinaushebt. Freilich bestand Florestan’s ganzer Beifall, ein seliges Lächeln abgerechnet, in nichts als in den Worten, daß die Variationen etwa von Beethoven oder Franz Schubert sein könnten, wären sie nämlich Clavier-Virtuosen gewesen — wie er aber nach dem Titelblatte fuhr, weiter nichts las als:
und wir beide verwundert ausriefen: „Ein W. 2”,[H 1] und wie die Gesichter ziemlich glühten vom ungemeinen Erstaunen, und außer etlichen Ausrufen wenig zu unterscheiden war als: „Ja, das ist einmal wieder etwas Vernünftiges — Chopin — ich habe den Namen nie gehört — wer mag er sein — jedenfalls – ein Genie — lacht dort nicht Zerline oder gar Leporello” — — so entstand freilich eine Scene, die ich nicht beschreiben
Anmerkungen (H)
- ↑ [MK] Ursprünlich: „Opus“. – Schumann hat fast durchgängig in den Gesammelten Schriften „Werk“ für „Opus“ gesetzt, nur bei den französisch wiedergegebenen Titeln das „Ouevre“ gelassen. [WS] Frédéric Chopin (1810-1849) schrieb seine Variations sur „Là ci darem la mano“ de „Don Juan“ de Mozart Op. 2 für Klavier und Orchester B-Dur in den Jahren 1827/28.)
Robert Schumann: Gesammelte Schriften über Musik und Musiker. Georg Wigand’s Verlag, Leipzig 1854, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gesammelte_Schriften_%C3%BCber_Musik_und_Musiker_Bd.1_(1854).pdf/27&oldid=- (Version vom 31.7.2018)