Michael Grimm: Sitten, Gebräuche, Aberglauben, Sagen (Gmünd). In: Geschichte der ehemaligen Reichsstadt Gmünd von Anbeginn bis auf den heutigen Tag | |
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ihre ursprüngliche Gestalt nicht beibehalten haben. Solche Werke volksthümlicher Auffassung verändern sich mit dem Wechsel des Volksgeschmackes.
Sicherlich hat man nicht recht gethan, dergleichen Schauspiele von Staatswegen zu verbieten. Wäre eine Gefahr für die Religion oder für die öffentliche Sicherheit gewesen, so wäre es von der Kirche und ihren Dienern nicht so lange geduldet worden. Welch’ großen Nutzen gewähren die sich alle zehn Jahre wiederholenden Spiele im Oberammergau!
Die Franzosenzeit, die ewigen Kriegsunruhen, der Aufgang in einen andern Staat trugen viel dazu bei, daß die Aufführung dieses Passionsspiels hier aufhörte. Es kam eine neue Zeit und mit ihr neue Anschauungen, die alten Herren konnten nicht mehr und die jungen wollten nicht mehr, und so hörte dieses Spiel, wie die alten Leute sagen, von selbst auf. In spätern Jahren war noch einmal ernstlich davon die Rede von der Ausführung des Passionsspieles; aus welchen Ursachen es unterblieb, vermögen wir nicht zu sagen. Soviel ist indessen gewiß, daß auch in den letzten Jahren seines Bestehens die Theilnahme eine allgemeine und bei sehr vielen eine herzliche war. Der Vater des Schreibers dieser Zeilen weiß von diesem altehrwürdigen Spiele noch vieles zu erzählen, als Zuschauer in seinen jüngern Jahren.
Wer hat sich nun bei diesem Spiele betheiligt? Wer hat sich als Zuschauer eingefunden?
Wir lassen hier und in dem Folgenden Herrn Holzwarth selbst sprechen:
War die Theilnahme eine allgemeine, schloß kein Stand sich aus, so mußte das Schauspiel tief in das Herz des Volkes sich eingesenkt haben, und haben Spielende und die Zuschauer die ergreifenden Bilder nicht äußerlich an sich vorübergehen lassen, sondern haben die Einen als eine religiöse Handlung, als ein frommes Werk ihre Bethätigung beim Spiele angesehen und die Andern getrauert, wenn der Ölberg und die
Michael Grimm: Sitten, Gebräuche, Aberglauben, Sagen (Gmünd). In: Geschichte der ehemaligen Reichsstadt Gmünd von Anbeginn bis auf den heutigen Tag. Selbstverlag des Verfassers, Gmünd 1867, Seite 402. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_der_ehemaligen_Reichsstadt_Gmuend.djvu/406&oldid=- (Version vom 1.8.2018)