Sitten, Gebräuche, Aberglauben, Sagen (Gmünd)
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Im April 1803 wurde dieses Spiel das letztemal öffentlich und feierlich aufgeführt.
Das vollständige Textbuch scheint nur in einem einzigen Exemplar vorhanden zu sein, das Herr Pfarrer Holzwarth in Tannenheim dadurch der Vergessenheit entriß, daß er es in seine katholische Trösteinsamkeit, 7. Bändchen, Mainz, Verlag von Franz Kirchheim, 1856, Seite 117–275, vollständig aufnahm, nach welchem wir hier in der Hauptsache referiren.
Das Textbuch blieb eben in der Familie, welche die Leitung des Passionsspiels übernommen hatte. Die Mitspielenden erhielten ihre betreffenden Rollen, welche sie nach der Karwoche wieder zurückzugeben hatten. Schwerlich wird eine Familie in der ganzen Stadt zu finden sein, von welcher nicht das eine oder andere ihrer Glieder zu den Mitspielenden gezählt hätte. Auf diese Weise wurde das ganze Spiel Gemeingut der ganzen Einwohnerschaft. Es dachte deßhalb niemand daran, vom ganzen Passionsschauspiele mehrere Abschriften zu nehmen. Die Chronik rühmt einen Meßner an der Sct. Johanniskirche, Gfrereis, der sich bei der Aufführung genannten Spieles besonders verdient gemacht habe. Wahrscheinlich bekleidete er die Stelle eines Direktors.
Daß dieses Spiel ein großes Alterthum aufzuweisen hat, darf als sicher angenommen werden; denn Gmünd wird in dieser Beziehung keine Ausnahme von andern schwäbischen Städten gemacht haben. Als Volksschauspiele konnten sie [402] ihre ursprüngliche Gestalt nicht beibehalten haben. Solche Werke volksthümlicher Auffassung verändern sich mit dem Wechsel des Volksgeschmackes.
Sicherlich hat man nicht recht gethan, dergleichen Schauspiele von Staatswegen zu verbieten. Wäre eine Gefahr für die Religion oder für die öffentliche Sicherheit gewesen, so wäre es von der Kirche und ihren Dienern nicht so lange geduldet worden. Welch’ großen Nutzen gewähren die sich alle zehn Jahre wiederholenden Spiele im Oberammergau!
Die Franzosenzeit, die ewigen Kriegsunruhen, der Aufgang in einen andern Staat trugen viel dazu bei, daß die Aufführung dieses Passionsspiels hier aufhörte. Es kam eine neue Zeit und mit ihr neue Anschauungen, die alten Herren konnten nicht mehr und die jungen wollten nicht mehr, und so hörte dieses Spiel, wie die alten Leute sagen, von selbst auf. In spätern Jahren war noch einmal ernstlich davon die Rede von der Ausführung des Passionsspieles; aus welchen Ursachen es unterblieb, vermögen wir nicht zu sagen. Soviel ist indessen gewiß, daß auch in den letzten Jahren seines Bestehens die Theilnahme eine allgemeine und bei sehr vielen eine herzliche war. Der Vater des Schreibers dieser Zeilen weiß von diesem altehrwürdigen Spiele noch vieles zu erzählen, als Zuschauer in seinen jüngern Jahren.
Wer hat sich nun bei diesem Spiele betheiligt? Wer hat sich als Zuschauer eingefunden?
Wir lassen hier und in dem Folgenden Herrn Holzwarth selbst sprechen:
War die Theilnahme eine allgemeine, schloß kein Stand sich aus, so mußte das Schauspiel tief in das Herz des Volkes sich eingesenkt haben, und haben Spielende und die Zuschauer die ergreifenden Bilder nicht äußerlich an sich vorübergehen lassen, sondern haben die Einen als eine religiöse Handlung, als ein frommes Werk ihre Bethätigung beim Spiele angesehen und die Andern getrauert, wenn der Ölberg und die [403] Verurtheilung und der martervolle Kreuzweg in ernsten Bildern und Tönen an ihnen vorüberzog; – so ist das wohl ein rühmliches Zeugniß für die ehrsamen Bürger der schwäbischen Reichsstadt, daß die Feier der kirchlichen Feste bei ihnen aus den heiligen Mauern des Gotteshauses herausgetreten und mitten hinein in das Volksleben anregend und erhebend, erfreuend und ergreifend sich gestellt hat.
Wirklich war die Theilnahme eine allgemeine. Kein Stand schloß sich vom Spiele aus, und die ganze Masse des Volkes aus der Stadt und Umgegend und in einzelnen Schaaren weit über diese hinaus, fand sich bei der Aufführung ein, die unter freiem Himmel stattfand und viele Stunden dauerte.
Es war das noch eine Zeit, wo in dieser schwäbischen Reichsstadt der Unterschied der Stände noch nicht so schroff sich geltend machte, wie das nachgerade eintrat. Die Geschlechter, die Patricierfamilien waren längst vertrieben, und es fand sich der Bürger nur seines gleichen gegenüber. Nur der Besitz bildete im öffentlichen Leben den Unterschied; aber der Kaufmann hieß eben „Händler“, mochte er Zucker lothweise verkaufen oder mit seinen Goldwaaren in Frankfurt oder Leipzig die Messe beziehen; der Goldschmied hieß eben Goldschmied und war Geselle oder Meister und noch nicht Fabrikherr und Arbeiter.
Es war noch eine Zeit, wo in den Mauern dieser Stadt die äußern Abzeichen des katholischen Glaubens etwas galten, wo die Rathsherrn mit dem Rosenkranz in der Hand auf das Rathhaus gehen mußten; weil es so die Bürgerschaft, wie die Chronik erzählt, im Zeitalter der Glaubenstrennung von seinem Magistrat verlangte, da sie einmal von ihm fürchtete, er denke die Stadt in den Abfall anderer Reichsstädte Schwabens hineinzuziehen. Es war noch eine Zeit, wo ein ehrsamer Rathsherr Freimaurer sein und doch alle Samstag Abend mit der versammelten Familie den Rosenkranz auf den Knien beten konnte.
Bei Verhältnissen, von denen diese wenigen Züge ein [404] ungefähres Bild entwerfen können, ist es leicht begreiflich, daß die Darstellung des Passionsspieles nicht bloß den Armen und Niedrigen zufallen konnte. Die vornehmen Rollen mußten wohl Reiche übernehmen, da die Kleidung manch schönes Stück Geld erforderte und bei den übrigen großen Kosten und dem niedrigen Eintrittspreis wenig überblieb, für alle die kostbaren Kleider zu beschaffen. Von einem der reichsten Kaufherrn wurde mir erzählt, daß er bis in sein höchstes Alter seine Rolle nicht abgegeben habe. Und als er nicht mehr zu Pferd steigen konnte, wie ihm als Kaiphas beim Kreuzwege zukam, ließ er sich noch in seinen Wagen bei der Prozession mitführen.
Jedermann machte sich eine Ehre daraus, bei der Vorstellung sich betheiligen zu dürfen. Wenn Keines aus der Gesellschaft unter dem Jahre starb, so waren es immer die Nämlichen, welche das Spiel aufführten. Wurde eine Rolle erledigt, so riß man sich darum. Aber den Reichen fiel es nicht bei, die Ehre des Spiels allein für sich in Beschlag zu nehmen. Auch die Armen betheiligten sich. Und diese erhielten vom Überschuß der Einnahme ein kleines Trinkgeld, oder einige Speise ins Haus für ihre Familie.
Wie man durch den Putzemann die Kinder schreckt und durch Prämien sie zum Fleiß ermahnt, so wurde den braven Kindern versprochen, sie dürfen mitspielen und den Unartigen wurde mit dem Ausschluß gedroht. Ich kann mich noch gut des Jubels in der Kinderwelt erinnern, als einmal in den dreißiger Jahren das Gerede ging, man werde die Passion wieder spielen. Wie man uns damals erfreute, so that man es früher mit den Kindern, die nun als alte Leute mit inniger Freude an die Rollen sich zurückerinnern, die sie einst vertreten durften.
In Schwäbisch Gmünd hatte zu alten Zeiten fast jede Familie ihren Übernamen oder Spitznamen geführt. Und nun heißt man die Familie, in der die Rolle Christi durch einige Generationen hindurch verblieben war, bis auf diesen Tag „s’Herrgettles“ (des Herrgottles, das ist die Familie [405] des Herrgotts.) Ist das nicht ein Wink, daß das Passionsspiel für die Stadt wirklich eine Bedeutung hatte?
Kamen die Bauern in hellen Hausen zur Aufführung in die Stadt herein, so war das Schauen nicht das Einzige, was sie thaten. Sie hatten in ihren Wäldern das Holz zum Gerüste gefällt, es unentgeltlich zur Stadt gebracht und die große Bühne bauen helfen. So trug Stadt und Land seinen Theil zum frommen Werke bei.
Für die Größe der Volksmasse, welche zur Aufführung sich versammelte, wissen die alten Leute, die mir davon erzählten, fast keinen Ausdruck zu finden.
Der öffentliche Platz bei der Kirche, wo die Aufführung stattfand, mag seine fünfzehntausend Menschen fassen, und er war gedrängt voll, und zu allen Fenstern der benachbarten Häuser schauten sie dicht gedrängt heraus und alle Dächer waren bevölkert. Als der Kreuzweg über den Marktplatz zog, der vielleicht der größte im Lande ist, sagte einer vom Rath der Juden, der hoch zu Rosse über die viel tausend Köpfe hinwegsah, zu seinem Nachbar, man könnte über die Köpfe hinweg schreiten, es würde keiner auf den Boden kommen, so dichtgedrängt war die Masse Volkes.
Und wie wohnte sie der Vorstellung an? Daß nicht alle gerührt wurden und die Gerührten auch wieder lächeln konnten, wer mag das verwunderlich finden? Der gesunde, derbe Sinn unseres Volkes bricht auch bei traurigen Anlässen gerne durch, und einem Herzen kann es bitterer Ernst und ein schmerzliches Leid sein, und doch lächelt es auch wieder durch die Thränen heraus.
Daß viele Weltlichkeit sich einschlich, und mancher leichtsinnige Gesell nur um des Spektakels willen mitmachte, wer wollte es bezweifeln? Die Juden schlugen so grob auf den kreuztragenden Christus ein, daß einer unter seinem Kreuze hervor einmal rufen mußte: „Jetzt macht es nur gnädig.“ Die Teufel, welche den Zug beim Gange durch die Straßen der Stadt umschwärmten, trieben allerhand Possen mit den Leuten, die in den Straßen wogten.
[406] Aber wenn der Herr an den Ölberg gieng, wurde ein allgemeines Schluchzen laut, und in Freud und Leid erinnert sich manches Gemüth bis auf diesen Tag der ersten Eindrücke des Spieles aus der längst vergangenen Jugendzeit. So sagte mir eine Frau, die mir über das Spiel erzählen mußte, gleich bei meiner ersten Frage: Es sei noch keine Stunde, daß sie an einen Spruch gedacht. Man habe sie erzürnen wollen, da sei ihr das Bild des Simon von Cyrene eingefallen und der Spruch Simons, als man ihn zwang, dem Herrn sein schweres Kreuz tragen zu helfen:
Und muß das Kreuz getragen sein, |
Im Jahre 1803 lag ein Trupp Franzosen in der Stadt, vor denen man sich fürchtete, so daß man vom Spielen abstehen wollte. Als das der commandirende Offizier erfuhr, so setzte er sein Ehrenwort ein, daß von seinen Leuten das Spiel nicht gestört werden sollte. Ein französischer Soldat zog beim Kreuzweg den Säbel. Warum? Es erbarmte ihn die Marter Christi und er wollte den groben, unfläthigen Juden wehren.
Auf den Grün-Donnerstag war die Bühne und alles bereitet, und Abends sieben Uhr begann das Spiel.
Auf der nördlichen Seite der sehr großen, herrlichen Pfarrkirche ist ein freier Platz, der sich der ganzen Länge der Kirche entlang und noch soweit darüber hinaus ausdehnt, daß auch der östliche Chor und die westliche Wand vollständig freistehen.
Liest man in alten Büchern, daß die Aufführung von Passionsspielen gerne auf Kirchhöfen stattgefunden habe, so darf man unter dem Kirchhofe nur nicht gerade einen Gottesacker verstehen. Wie sich’s schon aus dem Worte ergibt, so ist der Kirchhof der freie, die Kirche umgebende und zu ihr gehörende Platz.
So war denn auch in Schwäbisch Gmünd der Ort für [407] die Darstellung ein Theil des Kirchhofes, jener nördliche Theil, welcher nicht zur Ruhe der Todten diente, die ihren Begräbnißort auf dem südlchen Theil des Kirchhofs hatten.
Ungefähr ein Drittheil der Länge des Platzes war durch Schranken eingehegt. Hier standen die Teufel und andere vermummte Figuren, z. B. der Tod, als Einnehmer an den Pforten. Was draußen stand, konnte frei zuschauen, war aber auch vom Hören befreit, denn man stand zu weit von der Bühne ab. Der Preis der Plätze war, wie es für ein heiliges Spiel nicht anders ziemte, äußerst gering. Aber man war zufrieden, wenn nur die großen Kosten gedeckt werden konnten und für die Armen unter den Mitspielenden noch ein Brosamen abfiel.
Die Zuschauer standen und saßen unter freiem Himmel, nur die Bühne war überdeckt. Auf dieser standen drei tempelartige Gebäude, deren breite Eingangsthüre durch einen Vorhang verhüllt war. Wurden diese Vorhänge zurückgezogen, so lag ein Saal vor den Augen der Zuschauer. Aber wir halten uns bei dieser Beschreibung nicht auf, da die Örtlichkeit bei der jedesmaligen Beschreibung eines Auftrittes im Spiel deutlicher werden wird. Und es sei nur noch bemerkt, daß links von der Bühne der Ölberg sich befand.
Was endlich noch die Kleidung betrifft, so war diese ein Gemisch der altjüdischen und der bürgerlichen Tracht des vorigen Jahrhunderts. Bei meinem Aufwachsen hatte der Meßner in einem Kasten unter der Stiege die Reste dieser Herrlichkeit aufbewahrt. Gelang es uns Knaben, durch einige Kreuzer oder ein Päckchen Taback den Meßnerknecht zu bestechen, daß er den Kasten heimlich öffnete, so lagen da Turbane, zweihörnige Priesterkappen, kurze, seidene Hosen, Westen, reich bordirt, die mit ihren Schößen bis auf die Beine herabfielen und ähnliche Dinge.
Wenn bis sieben Uhr die „Actores“, wie die Darsteller sich nannten, beisammen waren, begann die Musik ein Trauerlied zu spielen. Der Dekan trat unter die Spielenden [408] und hub ein Gebet an. Man schloß einige Vater Unser und den christlichen Glauben an, dann sprach der Dekan: „Im Namen Jesu fanget an“, und die Spielenden traten auf die Bühne.
Zwölf Auftritte wurden an diesem Abend gespielt; dann gieng man um 10 Uhr in der Nacht auseinander.
Das ganze Trauerspiel, welches wir hier nicht abdrucken lassen wollen, war in 24 Auftritte abgetheilt, so daß die ersten zwölf am Gründonnerstag, die übrigen aber am Karfreitag angeführt wurden.
Im ersten Auftritt nimmt Christus von seiner Mutter Abschied. Es tritt auf Christus mit seinen heiligen Aposteln Petrus, Jakobus und Johannes. Christus beginnt also:
Sieh Vater! sieh’ herab vom Thron, |
Im Verlaufe tritt dann noch Maria mit den heiligen Frauen Martha und Magdalena auf. Maria spricht:
O Schmerz! o Schwert! von Simeon |
Im zweiten Auftritt halten die Priester und Schriftgelehrten Rath wider Jesum in dem Haus des Kaiphas. Der Vorhang wird von einem der drei Pavillon weggezogen und man sieht die Versammlung des hohen Rathes. Es [409] sind mit Kaiphas zwölf Personen. Nachdem jeder gesprochen, vereinigen sie sich in dem Conclusum:
Es dünket uns, es sei das Best’, |
Im dritten Auftritt spielt Judas die Hauptrolle, der seinen Herrn und Meister um dreißig Silberlinge verrathet. Nach einem Monolog und einem Zwiegespräch mit dem Rathsdiener Levi beginnt er seine Anklage also:
Ihr Herren, weis’ und hochgelehrt, |
Außer Judas und dem schon genannten Levi treten in diesem Auftritte noch fünf Personen auf. Am Schluß desselben spricht Judas übermüthig, lustig und dann pfiffig:
Gelt Jesu! jetzt hab ich eins dir |
Im vierten Auftritt wird der Vorhang von einem andern Pavillon auseinandergezogen. Das sieht man Christus mit seine Jüngern, der sie aussendet, das Ostermahl zu bereiten. Christus, Johannes und Petrus treten zuerst auf. Dann wird der Vorhang zugezogen und Petrus und Johannes erscheinen auf der Straße. Zu ihnen gesellt sich noch Eleazag mit dem Wasserkrug und Pesalinas, bei dem das Ostermahl zubereitet wurde.
Der fünfte Auftritt stellt die Genießung des Osterlammes, die Fußwaschung und das letzte Abendmahl vor. Christus [410] gibt seinen Aposteln noch viele gute Lehren und betet schließlich den Lobgesang. Christus ist mit seine Jüngern beim letzten Abendmahl. Der Vorhang verdeckt noch ihn und den Saal. Judas tritt zuerst auf. Nach dem dies geschehen, theilt sich der Vorhang und man sieht den Herrn und seine heiligen Jünger beim Abendmahl. Auf der vordern Bühne begegnen sich Pesalinas der Wirth und Eleazag der Knecht. Während der Herr den Jüngern die Füße wascht, wird von unsichtbaren Engeln gesungen. Der Lobgesang wird von Christus und seinen Aposteln abwechselnd gesprochen und lautet also:
Kommet, ihr Kinder, all’ zusammen, Jetzt und bis in Ewigkeit, Wo die Sonn pflegt aufzustehen, Ist der Nam’ des Herrn bekannt, Alle Völker hin und wieder Und die Himmel nicht so breit, Wer wie unser Herrscher thronet, In dem Himmel und auf Erd Die im Staub der Erde lagen Er hat uns zu Fürsten g’macht, Kommt, ihr Kinder all’ zusammen, Jetzt und bis in Ewigkeit |
Zum sechsten Auftritt finden wir den jüdischen Rath wiederum versammelt. Judas nimmt von ihm sein Geld in Empfang und bestimmt die Zeit der Gefangennehmung und Verrathung. Bevor der Vorhang vor der Versammlung weggezogen wird, kommt Judas auf die Straße. Außer ihm treten noch Levi, Kaiphas, Simeon, Aminadab, Simion, Annas, Mosa und Isak auf. Am Schluß fällt der Vorhang vor der Rathsversammlung. Unterdessen ist der Ölberg beleuchtet worden, um im siebenten Abschnitte die Todesangst Jesu an demselben darstellen zu können. Christus kommt mit seinen Jüngern in den Ölgarten und es entspinnt sich hier die Scene, wie sie im Evangelium verzeichnet ist. Während die Jünger schlafen und Christus wieder auf dem Ölberg kniet, geht der achte Auftritt vor sich, in welchem Christus von Judas verrathen und seinen Feinden überliefert wird. Mittlerweise hat sich die Rotte der Juden gesammelt, welcher Judas die Versicherung gibt, daß er alles wohl arrangirt habe, sie aber versprechen ihm auf’s neue den bedungenen Verrätherlohn. Zuerst überzeugt sich Judas, ob Jesus das Haus seines Wirthes Eleazag schon verlassen habe, was ihm bejaht wurde. Dann wendet er sich zu den Soldaten und sagt ihnen, daß sie nur den ergreifen sollten, den er küssen werde. Während sich nun Judas mit seiner Rotte entfernt, tritt Christus abermals zu seinen schlafenden Jüngern, und sagt ihnen, daß nun die Stunde gekommen sei, von der er so oft gesprochen. Nun tritt die Rotte der Juden auf und Christus [412] ihnen entgegen. Die Juden fallen in ihrer Verwirrung zu Boden. Nachdem sie sich erholt hatten, spricht Michas:
Jetzt sieh ich selbst sein Zauberkünst’, |
Judas tritt alsdann aus der Reihe und spricht:
O Meister, sei auf’s Schönste mir |
worauf Christus erwidert:
O Freund! was gabe Anlaß dir, |
Dann legen sie Hand an Jesus und führen ihn gefangen fort. Die Scene mit Malchus ist nicht vergessen. Nun zieht die Rotte, den Herrn mißhandelnd, ab und kommt vor das Haus des Annas. Angehängt ist die Verleugnung Petri.
Im neunten Auftritt wird Jesus dem Hohenpriester Annas, und was er bei diesem erlitten, vorgestellt. Man sieht in das Haus des Hohenpriesters hinein und der Judenhauptmann Kneus führt Jesus gebunden vor. Außer diesen tritt noch der Knecht (Heli) auf, der Jesum einen Backenstreich gegeben, und spricht:
Was? du mit Hohenpriestern |
Maria, die Mutter Jesu, mit Magdalena und Martha, suchen Jesum im zehnten Auftritt auf. Maria spricht:
O Angst! mein liebendes Mutterherz [413] Wer gibt mir, so beglückt zu sein, |
Im elften Auftritt wird die falsche Anklage, Verurtheilung und Verspottung Jesu abgehandelt; ebenso kommt die Verleugnung von Petrus vor. Jesus befindet sich im Hause des Kaiphas, wo der hohe Rath der Juden versammelt ist. Der Judenhauptmann bringt den Herrn gebunden. Außer diesem kommen verschiedene Personen vor, auch falsche Zeugen und bei der Verleugnung Petri die Magd des Hohenpriesters und ein Soldat.
Maria erhält im zwölften Auftritt von Johannes die Nachricht, daß Jesus gefangen sei. Die Frauen wollen den gefangenen Herrn aufsuchen, was ihnen aber Johannes mißrathet. – Als Nachspiel zu diesen zwölf Auftritten wurde am Gründonnerstag noch die Reue Petri aufgeführt.
Am Karfreitag wurden die übrigen Auftritte noch aufgeführt. Die Vorstellung nahm um 12 Uhr ihren Anfang und wurde mit einem Vorspiel eröffnet. Die Vorspiele wechselten in den verschiedenen Jahren.
In der ersten Station verhandelte der versammelte Judenrath über Christus. Caiphas eröffnet die Rathsversammlung. Diese wird mit folgenden Worten beschlossen:
Er sterbe! – Seinen Tod wollen wir! |
Christus wird nun in der zweiten Station vor den versammelten Rath geführt und daselbst unschuldig zum Tod verurtheilt. Zuerst wird der Herr gebunden aus seinem Kerker geführt. Soldaten und allerhand Volk kommt mit ihm; da geht die Mißhandlung wieder an.
In der dritten Station sucht Maria ihren geliebten [414] Sohn. In ihrer Begleitung kommen Johannes, Martha und Magdalena.
Christus wird in der vierten Station zu Pilatus geführt und fälschlich angeklagt. Dieser sitzt auf einem Throne. Draußen auf der Straße hält der Zug. Christus ist inmitten der Soldaten. Im fünften Auftritte zeigt sich Judas vor dem hohen Rathe und bringt demselben den Verrätherlohn wiederum. Die Hohenpriester und der Judenrath haben sich in ihrem Versammlungssaal begeben. Unterdessen erscheint Judas und spricht mit sich selbst, bis ihn Caiphas anredet. Der verzweifelnde Judas erhenkt sich mit einem Stricke in der sechsten Station. In der darauffolgenden siebten Station wird Christus von Pilatus gefragt und hernach dem König Herodes überliefert. Man sieht in die Gerichtsstube des Pilatus. Die Hohenpriester, Schriftgelehrte und viel Judenvolk sind unterdessen bei dem Hause des Pilatus zusammengeströmt. Nun spricht Pilatus zu ihnen:
Ihr habt vorher mir diesen Mann |
Bis die Juden ihre Klagen bei Herodes anbringen, sieht man in die Hölle, wo viele Teufel sind. Man hört aus dem höllischen Feuer den Judas klagen:
Ach Weh! ach Weh! ach Bitterkeit! |
Nun folget in der achten Station die Anklage der Juden bei Herodes wider Christus und wie er daselbst verspottet wird. In der darauf folgenden neunten Station bringt die Rotte den Herrn wieder zu Pilatus; nachdem er sich alle Mühe gegeben, ihn loszulassen, stellt er Christus neben den Mörder Barrabas; hierauf übergibt er den Juden den mißhandelten Jesus zur Geißelung. Man sieht in der [415] zehnten Station in den Geißlungssaal, wo Christus mit seinem Blut überronnen und übergossen an die Säule gebunden ist. Die Henkersknechte liegen auf dem Boden herum. Auf dem Vordergrund der Bühne aber steht ein Engel, welcher eine Seele an der Hand führt und auf den gegeißelten Herrn hindeutet. Als die Henkersknechte den Herrn von der Säule losgebunden hatten, sinkt er unter der Wucht der Schmerzen nieder. Nachher bringt ein Bube Dornen herbei, welche die Juden sofort zu einer Krone flochten. Nun rissen sie den Herrn vom Boden auf, drückten ihm die Dornenkrone auf’s Haupt und setzten ihn auf einen Stuhl. Dann folgt die Verspottung Christi durch die Juden und Henkersknechte.
In der elften Station sieht man den Ecce Homo! Pilatus ist in seiner Gerichtsstube. Der Rotte, die den Herrn führt, geht der Judenhauptmann voraus. Schließlich wird Jesus in der zwölften Station unschuldig zum Tod verurtheilt. Während dieser Zeit versammelte sich der Zug zur Kreuzigung. Indem man Christus abführt und er auf einige Zeit den Augen der Zuschauer verdeckt ist, treten die Vorbilder aus dem alten Testament auf die Bühne: Adam und Eva, Joseph und seine Brüder, die Tochter Jephthas und andere. Jedes derselben hat seine Spruch. Auch Bilder aus dem neuen Testament treten auf, z. B. die heilige Genovefa mit dem Schmerzenreich, auch allegorische Figuren, wie die sieben Hauptsünden.
Der Kreuzzug bewegt sich durch mehrere Straßen der Stadt und zwar in folgender Ordnung:
Voraus auf weißem Roß ohne Sattel reitet der Tod mit Krone und Scepter.
Dann kommt zu Roß ein Sardenbläser, der mit einzelnen abgestoßenen, überaus traurigen Tönen den nahen Zug ankündigt.
Jetzt kommen Adam und Eva. Zwei uralte Leutchen, weiß gekleidet, mit Pflug und Ochsen. (Eine lange Reihe [416] von Jahren ist ein und dasselbe Ehepaar in dieser Rolle aufgezogen.)
Der hohe Rath der Juden zu Pferd. Es sind alte, angesehene Bürger, welche den Rath bilden.
Der Judenhauptmann auch zu Pferd. Ihm folgt die Rotte der Henker, welche die Leidenswerkzeuge, Nägel, Hammer, Zange, Rohr mit Schwamm und Stricke tragen.
Christus mit dem Kreuz. Simon von Cyrene hilft ihm dasselbe tragen.
Dem Herrn folgt Maria, die heiligen Frauen, Johannes und die Töchter Jerusalems.
Dann kommen die sieben Todsünden, Joseph von Kindern an einem Band geführt.
Ein Tod und ein Teufel führen in einem Wägelchen das Söhnchen des Pilatus und das Töchterchen des Herodes.
Die heilige Genovefa mit Schmerzenreich, von vier Jägern begleitet.
Nun folgt eine Menge von Büßern, welche schwere Kreuze schleppen, andere, welche die Arme ausgespannt tragen, auch Kinder als Pilger verkleidet mit kleinen Kreuzen.
Dreimal fällt der Herr an bestimmten Plätzen unter seinem Kreuze.
Wenn der Zug auf den Platz bei der Kirche zurückgekommen, wird der Herr in den Kerker geführt, das Kreuz bereitet und das Spiel hat sein Ende erreicht. Die Teufel trieben oft Muthwillen mit dem zuschauenden Publikum, was aber der Festfeier keinen Eintrag that.
Noch folgende Personen konnten wir ausfindig machen, welche bei den letzten Aufführungen mitwirkten:
Matth. Wagner, Dosenmacher, als Pilatus.
Dom. Kuttler, Goldschmied, als Herodes.
Nikolaus Forster, als Caiphas.
Forster, gen. Geigelesdick und vor ihm sein Bruder, als Christus.
Eine Tochter von ½ 12 Uhr-Hut, als Muttergottes.
Ein Schreiner, gen. der Teufelsmaler, als Judas.
[417] Schäzler, Schneider, später Spitalmeister, vulgo Zöpflers Alois, als Judenhauptmann.
Marie Ottner, als Engel.
Kunigunde Bruckmüller, als Engel.
Magister Wetzenmayer, als Sänger.
Cantor Vetter, als Sänger.
Polizeidiener Log, als Jude.
Schuhmacher Beuerle, als Jude.
Ein großer Beförderer der Karfreitagsvorstellungen war der Meßner Joh. Gfrereis zu Sct. Johann. Er starb den 30. Juni 1727.
Während der Adventszeit wurden in allen Kirchen und Klöstern die sogen. Krippelein aufgemacht. Die Figuren darin waren schön gekleidet und stellten gewöhnlich die Geburt Christi im Stall zu Bethlehem und die Hirten dar; ferner die Flucht nach Egypten, den Kindermord und die Verdammung Herodes zur Hölle; die Beschneidung Christi; die hl. Dreikönige und wie sie dem Kinde Jesu ihre Opfer darbrachten; wie Jesus als Knabe predigt; Joseph und Jesu zimmern und Maria spinnt; die Hochzeit zu Kana. Es war fast kein Haus in der Stadt, in welchem nicht eine Krippe stund.
Am hl. Abend (Christnacht) thaten die meisten Leute hier eine Jerichorose in ein Glas Wein, worin sie aufgieng. Sie beteten dabei.
Während der Adventszeit giengen Männer und Buben mit einem Stern, den sie immer in eine rotirende Bewegung [418] an einer Stange setzten, in der Stadt und auf dem Land herum. Über ihre Kleider trugen sie ein weißes Hemd. Sie sangen vor jedem Hause, wofür ihnen ein Almosen gereicht wurde. Ihr Gesang handelte von dem Kinde Jesus in der Krippe und schloß mit der Hochzeit zu Kana. Einige Strophen lauteten also:
Ein Kindlein geboren war, |
In den ersten Tagen nach dem Neujahr kamen die sog. Siechen. Es waren arme Leute aus Wiesensteig, welche schwarze Mäntel trugen – Mann wie Weib – und mit einem weißen Zwerchsack zum Einsammeln des Almosens versehen waren. Diese sangen in der ganzen Stadt herum:
„Wir wünschen den Herrn ein glückseligs neues Jahr, „ein glückseligs neues Jahr“, und wiederholten letzteres immer. Sie kamen unter dem Jahr noch öfters. Da waren sie aber nur mit hölzernen „Klepper“ versehen, mit denen sie „klepperten“. Im Jahr 1806 wurde diese Sitte abgeschafft und sie hatten ihr Almosen, wie andere Bettler, zu heischen.
An diesem Feste wurde bei den Kapuzinern Weihrauch, Salz und Kreide geweiht. Von solchem Salz warf man das Jahr hindurch in die Brunnen. Die Kapuziner kamen in die Häuser der Bürger und weihten daselbst alle Gelasse. Man zündete dabei ein Licht an, nahm Weihwasser und einen Gluthafen und gieng so im ganzen Hause herum. An die Thüre schrieb der Kapuziner mit geweihter Kreide die bekannten Zeichen:
und die Jahreszahl.
ließ man den „Johannissegen“ weihen, besonders die Wirthe, welche den also gesegneten Wein in ihre Weinfässer schütteten. In der Sct. Johanniskirche und bei den Augustinern gab man allen Anwesenden geweihten Wein zu trinken. - Viele Leute trugen an diesem Tage den „Johanniskopf“ um den Kreuzaltar herum in der Meinung, sie würden dadurch vom Kopfweh befreit.
Das war eine heitere Zeit. Man gieng maskern bei Tag und Nacht und zog von einem Wirthshaus zum andern. Bei Tag wurden öfters größere Maskeraden aufgeführt. Besonders feierlich hielten die Metzger ihren Jahrtag am Fastnacht-Dienstag durch den sogenannten
Dabei hatten alle Metzger ohne Ausnahme – Meister und Ledige – bei Vermeidung ihrer gewöhnlichen Zunftstrafe zu erscheinen. Voraus ritt ein Überreiter mit entblößtem [420] Schwerte, ihm folgten 2 Thürmer mit Trompeten, dann kamen alle ledigen Metzgersöhne mit solch großen „Sträußen“ auf ihren Hüten, daß man nichts als Blumen sah. Ihnen folgten die Meister nach Rang und Ordnung. Den Schluß bildete wiederum ein Reiter mit entblößtem Schwert. In der Mitte ritten der Oberachtmeister und der Achtmeister mit Degen. Neben ihnen marschirte der Zunftknecht mit einer Partisane in der Hand. Der Sammelplatz war das Zunfthaus der Metzger, nemlich die Herberge zur goldenen Kante. Von da aus bewegte sich der ganze Zug dem Rathhaus zu, in der Stadt herum und durch das Schmiedthor dem Kloster Gotteszell zu. Da stiegen sie ab und nahmen einen Lebkuchen von 4 Fuß Länge, an einer Stange befestigt, und mit einer Fülle von Reisach und Blumen eingemacht, in Empfang. Der Oberachtmeister nahm ihn auf sein Pferd und trug ihn wie eine Standarte. Nun bewegte sich der Zug wieder der Stadt zu, in derselben herum und schließlich zur Herberge. Dort wurde der große Lebkuchen so vertheilt, daß alle Theilnehmer etwas traf. Des andern Tages hielten die Metzger auf ihrer Herberge eine Mahlzeit; jeder Nichterscheinende hatte 30 kr. Strafe zu erlegen.
Wer aber in der Fastnacht zu Freud und Lustbarkeit nicht aufgelegt war, oder sein Gemüth wieder sammeln wollte, der hatte bei den Dominikanern und in der Gruft bei dort stattfindendem 10stündigem Gebet solches zu thun Gelegenheit. In der
wurden Bretzgen gebacken. Kam man nun im Wirthshause zusammen, so rissen zwei eine solche auseinander, wem nun das Schloß in der Hand blieb, der mußte zahlen.
Früher aß man während der ganzen Fastenzeit kein Fleisch. Es wurde auch diese ganze Zeit hindurch Morgens um 5 Uhr in der Pfarrkirche und bei den Franziskanern Abends um ½ 6 Uhr ein Miserere abgehalten.
In der Pfarrkirche, bei Sct. Johannis und Sct. Veit, im Spital und bei den Kapuzinern war während der ganzen [421] Fastenzeit täglich Morgens um 10 Uhr und Abends um 4 Uhr Christenlehre, worin die Kinder zum würdigen Empfange des hl. Buß- und Altarssakrament vorbereitet wurden; indessen wurde in besagten Kirchen das ganze Jahr hindurch Christenlehre gehalten.
In der Fastenzeit wurde der Sct. Salvator sehr fleißig besucht, sonst nur an den Freitagen; am Mittwoch gieng man zu Sct. Joseph, am Donnerstag zum Ölberg auf den Gottesacker und am Samstag zu unseres Herrgotts Ruhe.
Das waren Freudentage der Kinder. Jedes wollte ein neues Kleidungsstück haben, denn sonst „gumpe ihn der Palmesel.“ In der Frühe schon wurde das Weihholz und der Palmbesen geweiht. Armen Leuten war dieser Tag ein erwünschter, indem sie Weihholz und Palmbesen, das Stück zu 2kr., genugsam an vermöglichere Leute verkaufen konnten. Die Palmzweige wurden zum Kruzifix und an die Himmelbettlade gesteckt; das Weihholz wurde in eine Glut bei einem Donnerwetter gelegt.
Am Samstag Nachmittag um 3 Uhr gieng die Prozession an. Von der Pfarrkirche gieng man die Hofstatt herunter dem Spital zu in folgender Ordnung: Gleich nach dem Geistlichen kamen acht Metzger, welche den Palmesel an einem großen Strick führten, nebenher giengen der Oberachtmeister und der Achtmeister und hatten dafür Sorge zu tragen, daß der Palmesel nicht umfiel; der Zunftknecht trug den alten Mantel. Dann folgten die übrigen Metzger und jetzt erst der Magistrat und die übrigen Zünfte. Bis hierher war im Zug Ordnung, jetzt aber folgten die Weibsbilder mit großen und kleinen Kindern. Die Kinder der Metzger saßen unter dem Palmesel. Im Spital ließ man ihn nun sehen; es brannten bei ihm große und viele Lichter. [422] Jeder hätte sich ein Gewissen daraus gemacht, wenn er ihn nicht besucht hätte; der Zudrang währte die ganze Nacht.
Die Prozession gieng wieder in die Pfarrkirche zurück, diesmal giengen aber die Metzger hintendrein. – Woher schrieb sich nun der Vorzug der Metzger vor den übrigen Zünften bei dieser Procession? Die Metzger hatten den Palmesel nach dem Abzuge der schmalkaldischen Truppen von hier wieder in die Stadt gebracht. Die protest. Soldaten sollen ihn nämlich mit sich genommen haben, von den Metzgern wurde er ihnen aber wieder abgejagt. Nach einer andern Lesart ließen ihn die Feinde vor der Stadt draußen stehen, die Metzger fanden ihn und brachten ihn wieder an seine alte Stelle.
Am Palmsonntag gieng Morgens um 7 Uhr die Procession in gleicher Ordnung wieder in den Spital; jeder hatte aber einen Palmzweig in der Hand; die Metzger führten nun den Esel wieder in die Pfarrkirche zurück.
Diese fieng schon am Vorabende vom Gründonnerstag an. Sie fand in der Pfarrkirche und in den vier Mannsklöstern statt. Wenn die Lichter ausgelöscht waren, so fiengen die Kinder mit „Rätschen an zu rätschen“, dadurch entstand natürlich ein großes Geräusch, worüber man lachte, „aber mit keiner Ausschweifung“, fügt der Chronist bei.
So hießen die zwölf ärmsten Männer hier, welche am Gründonnerstag in allen Häusern herum betteln gehen durften. Judas mit der Geldbüchse gieng voran. Morgens war gemeinsamer Kirchgang. Jeder der Jünger durfte sich [423] mit einem neuen Hafen in der Hand vor eine der Kirchthüren stellen und Almosen sammeln. Nach dem Amt gieng man nach der Vorschrift des Stiftungsbriefes mit dem Allerheiligsten in die Sct. Johanniskirche. Erst um 12 Uhr begann die Rundreise in der Stadt. Ein uraltes Haus hier hatte die Verpflichtung auf sich, diesen alten, bresthaften Männern Erbsensuppe, Sauerkraut und Stockfische unentgeltlich vorzusetzen. Diese Stiftung hielt sich am längsten in Gmünd, weil sie sich in Privathänden befand.
Sie riefen im Chor: „Ach, ihr liebe, getreue Bürgerschaft, am heiligen Gründonnerstag, gebt uns zwölf armen, bresthaften Jüngern ein heiliges Almosen, Gott und Maria wird es euch hier und dort ewiglich belohnen.“
Des Passionsspieles haben wir schon ausführlich erwähnt.
Am Gründonnerstag mußte der ganze Magistrat, alle Officianten und Diener communiciren: es geschah dies des guten Beispiels wegen.
An diesem Tage gieng man schon frühe auf den Salvator, woselbst man viele Geißler, Ausspanner und Kreuzschleifer antraf. Die Geißler hatten weiße Hemden an und weiße Kaputzen auf dem Haupt; der Rücken war ganz bloß; sie peitschten sich so stark, daß das Blut herabrann. Die Kreuzschleifer hatten blaue Hemden und Kappen und schleppten ein Kreuz nach sich. Die Ausspanner waren wie diese gekleidet, hatten aber einen Stock durch die Arme. Öfters giengen alle diese bei der größten Kälte noch barfuß und schleppten große Ketten an den Füßen nach. Manche machten auch Bußgänge auf den Sct. Bernhards- und Rechberg. Viele trugen auch ehedessen während dieses Tages Bußkleider, bestehend aus einem wollenen Sack.
[424] Mittags um 12 Uhr war das Passionsspiel, hernach die Procession.
An diesem Tage wurde viel Almosen gegeben. In jeder Kirche befand sich das Grab Christi, welche von der hiesigen Inwohnerschaft fleißig besucht wurden. Der Ehemann in schwarzem Mantel gieng mit seiner Ehehälfte zum heiligen Grab. Zur Beleuchtung der hlg. Gräber schickten viele hiesige Bürger Öl.
An diesem Feste communicirten eine Menge Leute; für den Beicht- und Communionzettel mußte 2 kr. bezahlt werden.
Am zweiten Osterfeiertag fand eine Procession in der Stadt herum statt zum dankbaren Andenken an den glücklichen Ausgang beim Einsturze der beiden Thürme auf der Pfarrkirche.
Am dritten Osterfeiertag gieng man in Procession nach Wetzgau zum hl. Koloman; viele ritten da hinauf.
Am Montag war Procession in der Stadt herum, am Dienstag nach Gotteszell, wo Predigt und Hochamt gehalten wurde. Nach schon längst geübter Gewohnheit erhielt bei dieser Gelegenheit jeder Fahnenträger einen Laib Brod. Damit aber die Knaben und Mädchen nicht leer ausgiengen, so steckten oder hefteten sie an einen Stecken Bildlein, kleine Kruzifixe etc. und dann erhielten sie unterm Thor ¼ oder ½ Laib Brot. – Am Mittwoch gieng man auf den Sct. Salvator.
Am Kreuzfest wurde die Procession in der Stadt herum gehalten. Die Kerzenträger mit ihren Mänteln, Degen, Partisanen und rothen Federhüten giengen neben dem Allerheiligsten her.
[425] Am Sct. Leonhardstag gieng man nach Sct. Leonhard mit Procession, allwo Predigt und Hochamt gehalten wurde.
Bei allen Processionen war es üblich, daß alle Lebküchner, Zuckerbäcker, Obsthändler etc. feil hatten bei der Pfarrkirche, Sct. Leonhard, Gotteszell, Sct. Joseph, Sct. Georgi etc. Da durfte sich jedes Kind etwas kaufen, denn „die Alten“, sagt der Chronist, „sorgten sowohl für das Ewige als Zeitliche. Sie machten den Kindern Muth und Freude und zugleich zu guten Christen.“
Am Josephstag war in der Kapelle zu Sct. Joseph Predigt und Amt außerhalb der Kirche. Den Tag über war der Zulauf der Leute sehr groß. So wurden noch das Georgi-, Sebaldi-, Margaretha- und Veitsfest in den betreffenden Kapellen gehalten.
Am Himmelfahrtsfest wurde in der Pfarrkirche die Himmelfahrt Christi versinnbildet. Bei der obern Öffnung wurden drei Engel und der hl. Geist an Schnüren herabgelassen, welche immer tanzten. Christus wurde um 12 Uhr in den Himmel hinaufgezogen; er war mit bekränzten Kerzen ganz voll gehängt. Bei einem Gewitter zündete man derlei Kerzen an und warf etwas von ihnen in das Feuer.
Am Pfingstmontaggieng man in Procession wieder nach Wetzgau, viele zu Pferde; am Dienstag gieng’s auf den Rechberg.
An Maria Geburt und die ganze Octav hindurch wallfahrtete man auf den Beißwang. Dies waren für die Wirthe in Hussenhofen die besten Zeiten, weil da die Gmünder dort massenweise einkehrten und „Straubele“ aßen.
Das Fronleichnamsfest, Engelistag geheißen, wurde ehedem hier außerordentlich feierlich gehalten. Die Procession begann schon um 5 Uhr. Da wurden alle Heiligthümer, Fahnen und alles Silber mitgenommen. Vor jedem Hause, an dem die Procession vorbeigieng, sah man einen Altar. Auf beiden Seiten der Straßen waren Maien, der Boden aber mit Blumen bestreut.
Die Geistlichen hatten Blumenkränze auf ihren Häuptern, [426] ebenso die Kerzenträger und Kirchendiener, sechs Ministranten waren als Engel gekleidet.
Dabei betheiligte sich das hiesige Militär und das bürgerliche Corps Lediger.
So lange wir hier noch Dragoner hatten, begleiteten sie das Allerheiligste, später geschah es durch die Infantrie, hernach durch’s Bürgermilitär.
Während der ganzen Procession waren die Stadtthore geschlossen; die Procession bewegte sich nemlich außerhalb der Stadt.
Von dem badischen Infanterie-Regiment war ein Hauptmann und ein Lieutenant hier mit 30 bis 40 Soldaten, ebenso war ein Dragonerlieutenant in der Stadt mit 12 bis 18 Gemeinen. Sie besorgten die Wache und schlugen täglich den Zapfenstreich. Ihre Hochwacht war ein besonderes Haus auf dem Marktplatze. Nach dem Abbruch desselben erhielten sie ihre Wachstube im Rathhaus.
Die ledigen Gesellen übten sich seit undenklichen Zeiten im Exercitium. Am 1. Mai begannen sie dasselbe gemeinschaftlich. Vor der Gräth kamen sie zusammen, indem sie dort ihre Fahnen hatten und brachten sie auch dahin wieder in Verwahrung. Der Stadtschultheiß war von jeher ihr Platzmajor. Dieser wählte einen Major und Adjutanten; diese und zwölf Officiere ritten.
Jeder ledige Geselle ohne Ausnahme mußte mitmachen, hatte aber die Freiheit, in seinen gewöhnlichen Kleidern erscheinen zu dürfen, wenn er nur ein Gewehr hatte. Die Officiere trugen Degen und Partisanen, am Corporis-Christi-Fest aber Schärpen und rothe und weiße Federhüte. Daß Tamboure und Pfeifer nicht fehlen durften, versteht sich von selbst.
[427] Am Ende des vorigen Jahrhunderts kleidete sich dieses Corps gleichmäßig: blaue Röcke, weiße Westen, schwarze Beinkleider, weiße Strümpfe, blaue und weiße Kokarden. Die Unterofficiere hatten auch noch Degen, die Officiere brachten an denselben noch goldene Quasten an.
Unter Württemberg errichteten auch die Bürger ein eigenes Corps: alle waren gleichförmig gekleidet und ihre Ordnung als musterhaft bezeichnet.
An diesem Festtage wurden die „Weihbuscheln“ in der Pfarrkirche geweiht. Arme Leute verkauften sie. Bei der Niederkunft einer Frau wurden sie in’s warme Wasser gelegt.
Er war für die Kinder ein Angst- und Freudentag. Am Vorabende nach Tisch kam der Sct. Nikolaus, öfters noch von Dienern begleitet, zu den Kindern, ließ sie „aufsagen und beten,“ er ermahnte sie zum Guten und beschenkte sie; auch Strafen blieben manchmal nicht aus. In der Frühe am Sct. Nikolaustag erhielten die Kinder Bretzgen, Lebkuchen, Marzipan, Äpfel, Birnen, Zwetschgen etc., auch Kinderspielzeuge und Kleidungsstücke. All’ dieses wurde während der Nacht für die Kinder hergerichtet, um sie ihnen nach dem Aufwachen mit den Worten zeigen zu können: „Sehet, das hat der Klos eingelegt.“ Diese Gaben rührten größtentheils von den Pathen her, welchen man dann am Neujahrsfeste ein entsprechendes Geschenk zu geben hatte. Eine heilige Messe wurde auf dem Kapellenthurm, auf welchem sich die Sct. Nikolauskapelle befand, an diesem Tage gelesen.
Dieser Tag war um Weihnachten herum; an ihm erhielten die Kinder von ihren Eltern, Großeltern und Pathen Bretzgen, Lebkuchen, Äpfel, Birnen, Nüsse etc. Nachtwächter, Hirten und Arme sammelten die Anklopfet in den Häusern herum, so daß man in manchem Hause 3 bis 6 Laib Brode zusammen zu schneiden hatte. Die Armen riefen dabei:
„Gut’s Jahr, gut’s Jahr |
Man verlangte Anklopfet in den Läden, bei den Metzgern, kurz in allen öffentlichen Gewerben. Die ständigen Kunden erhielten natürlich ein größeres Geschenk als solche, welche nur an diesem Tage ihre Einkäufe machten. Auch Landleute kamen herein. Diese Sitte erhielt sich in unserer Stadt am längsten.
Solche wurden von den Nachtwächtern, Hirten und Waldschützen geholt. Alle Wochen wurde für die Armen und Waisen gesammelt, am Freitag sangen die „Chorales“; alle Halbjahr wurde das Schulgeld entrichtet und alle Jahr der Kleinzehnten zum Rorate, zu den hl. Gräbern, zur Fastenspeise für die Kapuziner etc.
Bei gutem Wetter war er in der Schmalzgrube im Hof, bei schlechtem aber auf dem alten Rathhaus.
Morgens war Predigt und Hochamt; Nachmittags aber kamen der ganze Magistrat, die Officianten und die Diener auf dem Rathhause zusammen. Von da aus giengs in die [429] Schmalzgrube, die geringen Diener voraus, der Bürgermeister hintendrein. Der Gräthmeister trug den eisernen Scepter, der Spitalmeister das Buch. Die ganze Bürgerschaft hatte in Mänteln zu erscheinen, auch die Wittfrauen durften nicht fehlen, Im Hof war eine Art Zelt aufgeschlagen, in welchem sich Sitze befanden. Der Amtsbürgermeister hielt eine Anrede und nahm die Anwesenden der Ordnung nach in Pflicht und Eid. Der Rest des Tages wurde geselligen Unterhaltungen gewidmet.
Am Fronleichnamsfest ritten sie auf den nahen Bergen herum und schoßen öfters. Sie hatten Bortenhüte und bloße Säbel. Mittags um 11 Uhr kamen sie in die Stadt herein und hielten ihren üblichen Umritt.
Am Pfingsttag gieng allezeit der Hirtenbube, ganz in Reisach gebunden, mit einer Kuhschelle in der Stadt herum, um Almosen einzusammeln. Alle Kinder liefen ihm nach und riefen unaufhörlich „Pfingstlimmel!“
hatten wir hier in jeder Gasse, als:
1) Sct. Sebaldi-Kirchweih in der Waldstettergasse,
2) Sct. Georgi-Kirchweih in der Ledergasse,
3) Sct. Salvator-Kirchweih in der Bocksgasse,
4) Spital-Kirchweih beim Spital,
5) Sct. Johannis-Kirchweih,
6) Dominikaner-Kirchweih in der Predigergasse,
7) Sct. Margaretha-Kirchweih in der Rinderbachergasse,
8) Sct. Nikolaus-Kirchweih auf dem kalten Markt,
9) An Maria Geburt in der Schmiedgasse,
10) An der Kapuziner-Kirchweihe in der Kapuzinergasse,
11) Sct. Michaeli-Kirchweih in der Franziskanergasse,
12) Sct. Ursula-Kirchweih in der Pfarrkirchengasse.
An solch einer Kirchweihe hielt jeder Wirth in selbiger Gasse Tanzmusik. Jeder darin wohnende Bürger hielt Kirchweih, indem man eine bessere Mahlzeit hielt und Gäste dazu einlud. Abends gieng man in das betreffende Wirthshaus, in welches auch Leute aus den andern Gassen kamen.
Eine solche Kirchweih dauerte 3–4 Tage. Da gab es Gelegenheit zum Scheibenschießen, Kegelspiel etc. etc. Auch den Kindern ward da ihre Freude gegönnt, indem sie in der Regel „etwas Neues“ erhielten. Die Knaben machten gewöhnlich Blatten an Stecken und schlugen mit denselben die ganze Kirchweihgasse entlang; auch warfen sie das Geschirr, welches das Jahr hindurch zerbrochen wurde, auf die Gasse.
Die verschiedenen Spiele der Kinder richteten sich nach den verschiedenen Jahreszeiten. Geschenke erhielten sie am Namenstag, Josephstag, Palmsonntag, Weihnachten, Ostern (Haseneier), Pfingsten und an den Jahrmärkten.
Am Abende versammelten sich die größern Kinder und trugen aus der Nachbarschaft Holz, Prügel und Reisach zusammen. In andern Gassen durften sie sich nicht wagen. Da schrien sie vor jedem Haus im Chor:
Da kommen wir her von Bangen, [431] Werft uns auch ein Scheitle raus, |
Willfahrte man ihrem Willen nicht gleich, so riefen sie weiter:
Lieber Sct. Veit, |
Gab man ihnen in einem Hause gar kein Holz, so riefen sie:
Aus dem ersammelten Holze zündeten sie nun ein Feuer an und sprangen darüber und waren fröhlicher Dinge.
Jede Profession hatte hier ihren besondren Jahrtag. Von der Herberge aus giengs gemeinschaftlich in die Kirche. Nach derselben hielten viele Zünfte eigene Mahlzeiten und Musik. zu Hause hatte man besseres Essen und Trinken: es war ein Festtag. Die Buben hatten an solchen Tagen ihre größte Freude. Sie giengen in der Stadt herum und riefen z. B. am Jahrtage der Goldschmiede:
„Gebet den Goldschmiedsbuben auch etwas zum Besten!“ Das ersammelte Geld theilten sie unter sich aus. So machten es auch die Buben aus den anderen Zünften.
Die Gesellen hielten Nachmittags mit Musik einen Umzug in der Stadt herum und trugen ihren Schild, den sie in der Herberge hangen hatten, mit. So führten die Küfer den Sct. Urban und ein Faß mit herum und machten ihre Tänze.
Bei Leichen giengen ehedessen 12 arme Männer in schwarze Kutten mit weißen Krägen und Aufschlägen gekleidet [432] voraus. In der Hand hatten sie einen schwarzen Stab mit Flormantel. Das Weib, die Mutter oder Tochter etc. des Verblichenen hatten Leichenmäntel an und Schleier. Das Gesicht war überhaupt fast ganz eingebunden, wie man es jetzt noch auf alten Grabsteinen sehen kann. In der Freundschaft war eine große Trauer. Das Weib mußte sogar den Trauermantel und Schleier im Hause herum tragen, 6–8 Wochen lang; der Mann trug auch im Hause herum schwarze Kleider. Der tägliche Kirchgang währte 4 Wochen.
An denselben hatte der Stadtschultheiß mit seinem Rath in den Wirthshäusern für Ruhe und Ordnung zu sorgen.
An demselben giengen Freunde, Geschwister, Schwäger etc. zu einander und wünschten: „Ein gutes, glückseliges, neues Jahr!“
An Ostern und an allen übrigen hohen Festtagen gieng man wieder zu einander mit dem Wunsche:
„Guter Ausgang der hlg. Fasten, guten Appetit zum Fleischessen, fröhliches Alleluja und glückselige Osterfeiertage etc.“
Pfingsten: „Glückselige Feiertage und den hl. Geist in’s Herz.“
Weihnachten: „Glückselige Feiertage und das Jesuskindlein in’s Herz.
„Ich gratulire zum hl. Namenstag und wünsche alles, was schon Geistliche und Weltliche angewunschen haben; ich [433] wünsche noch viel Jahr mit Gesundheit zu erleben, welches der liebe Gott geben wolle. Ich recommandire mich und die meinigen bestens.“
Am Vorabende des Namensfestes kamen von allen Klöstern wenigstens je zwei Geistliche, welche ihre Glückswünsche darbrachten, denen man mit Wein etc. „aufwartete.“ Dieser Besuch währte in der Regel von zwei Uhr Nachmittags bis zum Nachtessen. Nach Tisch (am Namensfest) kamen die nächsten Anverwandten, denen man am besten auftischte. Morgens kamen die entferntere Verwandten, denen man wieder mit „etwas aufwartete“, am Nachmittag die Kinder der Verwandten. Arme stellten sich in Menge ein.
befand sich am Narrenhäusle, das an’s Rathhaus angebaut war. Vergehen wie Lästern etc. wurden auf ihm abbestraft, indem der oder die Betreffende auf ihn gestellt und zur Schau der Menge ausgestellt wurde. Das Vergehen war an ihm zu lesen.
Derselbe war aus Eichenholz, oben eng, unten breit, einem Faß ähnlich; in der Mitte gieng er in eisernem Band und Schloß auseinander, die Öffnung oben war so groß, daß der Kopf heraussehen konnte. Innerhalb des Mantels waren Hacken, an welche man Gewichter hinhängen konnte, um ihn beliebig zu beschweren.
Mit diesem Mantel wurden diejenigen bekleidet, welche sich bei Schlägereien, Raufereien, Spielhändel etc. betheiligten.
Wer ein solches Vergehen nicht mit Geld sühnen konnte, der wurde auf den Pranger gestellt. Man gab dem gefallenen [434] Mädchen in die eine Hand eine Ruthe, in die andere einen Scepter von Stroh; auf dem Haupte hatte es eine strohene Krone, in der Mitte hieng ein Glöcklein. So oft sich nun die also Bestrafte bewegte, so klingelte dasselbe. Oben stund geschrieben: „So wird die Unzucht gestraft.“ Konnte eine Mannsperson das Unzuchtsvergehen nicht bezahlen, so mußte auch sie auf die Bank des Prangers so lange stehen, als das Weibsbild oben auf der Schranne saß. Dies geschah an drei nacheinander folgenden Wochenmärkten und dauerte jedesmal eine volle Stunde.
Die Ehebrecher und Ehebrecherinnen mußten zur geistlichen Strafe vor die obere Kirchenthüre drei Sonn- oder Feiertage nach einander während des Gottesdienstes mit einem schwarzen Hemd angethan und einer schwarzen Kerze in der Hand stehen. Im Jahre 1779 wurde diese Strafe vom damaligen Stadtfparrer und Decan Debler abgeschafft.
Vor undenklichen Zeiten stund in der Ledergasse ein der Stadt eigenthümliches Haus, welches man das Hurenhaus nannte. In demselben konnte nemlich jede ledige Person ihr Wochenbett abhalten, welche keine eigene Heimat, d. h. keine Eltern oder nahe Verwandte hatte. Nur für gefallene Bürgerstöchter war es bestimmt. Unter Württemberg wurde von Seiten der Stadt dieses Häuslein verkauft und solche gefallene Mädchen in die Fuggerei gewiesen, welche zu einem Arbeits- und Waisenhaus eingerichtet war.
war allezeit ein großer Zug von Verwandten, Nachbarn und Bekannten, so daß man manchmal 100 Paar zählte. Die [435] Begleiter hatten Sträuße mit Citronen, jeder gab ein Geschenk. Die Hochzeiterin hatte einen Kranz auf ihrem Kopfe und in ihren Zöpfen waren rothe und gelbe Bänder geflochten. Hatte einer der Herren oder Kaufleute Hochzeit, so wurde im Chor copulirt, mittlere Paare unter der Staffel beim Kreuzaltar und geringere im Weg neben der Kanzel.
Die Taufe wurde oft von 12–30 Paar Weibern begleitet aus der Nachbarschaft und Freundschaft. Bei jeder Taufe wurde auf dem Thurme geblasen, bei Freudenkinder war dies nicht statthaft.
Wenn die Kindbetterin das erstemal ausgieng, so nahm sie ihre Mutter, Schwester oder eine Bekannte mit sich und trug ihr Kind in die Pfarrkirche. Am Brodhäusle bei der mittleren Kirchenthüre blieben sie stehen und warteten auf den Priester. Am Xaveri-Altar wurde sie ausgesegnet. Dann giengen sie mit dem Kinde zu „Mariakindbett“ und nach vollendetem Gebet opferten sie etwas und hefteten ihr Wachskreuzlein an den Kasten hin. Von hier aus gieng’s zu „Maria Hilf“, allwo wieder ein Gebet verrichtet und geopfert wurde.
Ehe nemlich eine Frau niederkam, ließ sie einen Wachsstock weihen, davon machte sie 9 Kreuzlein in der Größe eines kleinen Fingers; drei davon heftete sie an ihre Stubenthüre, drei an ihre Bettlade und drei an die Wiege.
gieng ehedessen in der ganzen Stadt herum. Nebenher führte man einen Karren, worin man die erhaltenen Laiblein Brod warf.
An diesen Tagen (Montag und Dienstag) mußten alle jungen Bürger, welche noch nicht ein Jahr verheiratet waren, [436] ohne Ausnahme um 12 Uhr auf das Zuchthaus kommen. Sie erschienen in ihren besten Kleidern mit Degen und einer Partisane. Dann gieng der Zug unter Anführung eines Kanzlisten von da auf’s Rathhaus, von hier aus auf die Gräth und hernach den Markt hinunter und so wieder nach Hause. Am Mittwoch darauf erhielt jeder in einem Wirthshaus ½ Maas Wein, 1 Paar Bratwürste und um 1 kr. Brod.
Auf der Gräth stunden 50 zinnerne Kanten, die man Prälatenkanten nannte. Kam nemlich ein Prälat oder ein Provincial hier an, so wurden diese Kanten mit Wein gefüllt und ihm verehrt. Wenn eine Frau drei Knaben auf einmal gebar, so verehrte man auch ihr diese Kanten mit Wein gefüllt.
In allen Zimmern, ja sogar im Stalle hieng ein Weihwassergefäß. Es wurde beim Aufstehen genommen und den kleinen Kindern gegeben; hernach bezeichnete man sich mit dem hl. Kreuzeszeichen. Wenn der Knecht etc. in den Stall kam, so besprengte er das Vieh mit geweihtem Wasser.
Ohne Rosenkranz gieng niemand in die Kirche; man trug denselben den ganzen Tag bei sich.
Sobald ein Kind auf die Welt kam, erhielt es ein Scapulier, das nicht mehr vom Leibe kam, es wurde mit in’s Grab genommen.
Ein Gürtel des hl. Franziskus wurde ebenfalls häufig getragen; auch ein Trostgürtel der Augustiner; von den Kapuzinern erhielt man Amulette, die man den Kindern anhieng. Beim Aus- und Einziehen in eine Wohnung trug man ein Kruzifix und einen Laib Brod allem andern voran.
Bei einem solchen läutete man in allen Kirchen: jedermann betete und bei jedem Wetterleuchten bekreuzte man sich und sprach: „Das Wort ist Fleisch geworden“.
sind Vögel, welche hier gerne gesehen wurden, und welchen daher kein Leid widerfuhr. Die Storchen hatten früher ihr Nest auf der Barfüßerkirche, hernach auf dem alten Rathhaus. Es war ein Rad, das man alle Jahre mit Weiden frisch ausflocht. Als aber das alte Rathhaus abgebrochen wurde, so nahm sich der Storchen niemand an. Sie sollen in einem benachbarten Wald genistet haben. Im Jahre 1820 ließ man ihnen ein Nest auf die Pfarrkirche machen, und die Störche erschienen wieder zur gewohnten Stunde.
Die Schwalben ließ man ihr Nest ungehindert an die Häuser bauen, weil man dem Aberglauben fröhnte, daß alsdann der Blitz in ein solches Haus nicht schlage.
wurden noch öffentlich hingerichtet und auf ihrem eigenen Gottesacker beim Josephle begraben.
schildert der Chronist also: Sie waren Männer: was sie sagten, das galt. Sie machten nicht viel Komplimente, sondern grüßten einfach mit dem Gruße: „Gelobt sei Jesus Christus.“ Niemand redeten sie mit Sie oder Ihnen an, sondern mit Ihr und Euch. Ihre Sprache war redlich. Kein Bürger durfte ohne schwarzen Mantel vor den Rath kommen. Die alten Herren und Doktoren trugen Degen und Stöcke zugleich. Der Bürger nahm beim Grüßen seine [438] Kappe oder seinen Hut ab, was auch der Herr that. Es war Ehrfurcht, Liebe und Rechtschaffenheit. – Kamen die Bürger bei einer Mahlzeit zusammen und hatte man sich den Gruß gegeben und nach dem Gebete gesetzt, so nahm jeder seine Sammtkappe aus dem Sack und setzte solche auf, nachdem er zuvor „mit Erlaubniß“ gesprochen hatte.
Die zwei Konsulenten trugen rothe Mäntel; die ledigen Gesellen blaue Mäntel und die Bürger schwarze mit Sammtkragen. Die Handwerksleute giengen an Werktagen mit ihren Schürzen aus und trugen sie auch zu Haus; die Schneider und Schumacher in grünen Schürzen; die Goldschmiede in schwarzen, die Bäcker und Weißgerber in weißen, die Rothgerber in gelben Schürzen. Auch wenn sie in die Kirche giengen, behielten sie ihre Schürze an, wenn sie gleichwohl mit Mänteln bekleidet waren.
Die Nachbarn besuchten einander täglich in den Feierstunden und berathschlagten sich gegenseitig. Man theilte Freud und Leid.
Die bürgerliche Tracht der Weiber bestand in mehreren langen Röcken, einer Schürze, einer ziemlich steifen Schnürbrust, einem Wams mit kurzen Ärmeln und Manschetten, einer hellbraunen Brand- oder kleinen niedlichen Drathhaube. Hierzu wurden nun bei Festkleidern, zumal der Wohlhabenden, meistens gute seidene Stoffe, Gold- und Silberborten und schöne Spitzen verwendet; wie denn überhaupt der Putz mit Gold- und Silbergeschmeide, Ohrenringen, Halsbändern, Ketten, Schnallen und dergleichen als Hauptartikel des inländischen Handels auch an den Bewohnern dieser Stadt von jeher nicht Ungewöhnliches war.
1) Am Mittwoch soll man keine Mägde und Knechte dingen, auch weder ein- noch ausziehen.
2) Wenn 13 Personen bei einer Mahlzeit an einem Tische sitzen, so muß bald eine davon sterben.
[439] 3) In den Hundstagen soll man nicht heirathen.
4) Wer in den zwölf heiligen Nächten ein Licht ausputzt, muß im selbigen Jahre sterben.
5) Im abnehmenden Mond soll man sich ja nicht verheirathen.
6) In ein Vogelkäfig soll man ein Stücklein Stahl legen, daß keine Hexen den Vogel drücken.
7) Wenn sieben Buben nacheinander geboren werden, so wurde dem letzten von der Natur die Kraft verliehen, alle Schäden durch bloße Berührung kuriren zu können, z. B. Gewächse, Überbein, Geschwulst etc. etc. Der Schulmichel in Straßdorf war nach dem Chronisten ein solches Wunderkind.
8) Wenn einer stirbt und nicht ganz „stärrig“, sondern „lummelig“ ist, bevor man ihn in’s Grab einsenkt, so stirbt nächstens einer aus der Familie.
9) Wenn der „Grapp“, Rabe, in de Nachbarschaft öfters schreit, so stirbt bald eines in der Nachbarschaft.
10) Wenn man das Sterbeglöcklein läutet und es schlägt die Uhr darein, so stirbt bald wieder eines.
11) Wenn man etwas erzählt und eines niest unterdessen, so heißt es; „Gott helf, es ist wahr!“
12) Wenn man den Holzwurm nagen hört, so heißt es: es reist bald jemand oder es zieht eines aus dem Haus aus.
13) Wenn eine Spinne auf einen fällt, so bedeutet dies Glück.
14) Hat man Unglück im Spielen, so soll man die Schuhe wechseln.
15) Wenn einer fällt, sich stoßt oder haut, so spricht man zu ihm: Du hast heut gewiß noch kein Kreuz gemacht.
16) Wenn sich die Katzen putzen, so heißt es: Wir bekommen heute noch einen Gast.
17) Wenn einem die Ohren klingen, so sagt man: es muß jemand an mich denken.
18) Wenn einem die Nase beißt, spricht man: man redet von dir.
[440] 19) Wenn einem Weibsbild der Schurzbändel aufgeht, so sagt man: der Schatz denkt an dich.
20) Wenn die Pferde und Ochsen Nachts auf der Straße „schnarcheln“, und die Hunde winseln, so ist ein Geist vorhanden.
21) Wenn einer ausgehen will, um z. B. zu handeln, und ehe er geht, etwas zerbricht, sich stoßt oder stolpert, so sieht man das für ein böses Zeichen an.
22) Wenn in der weißen Wasch, besonders in den Hemden, sich Kreuzlein zeigen, so bedeut dies, daß bald jemand im Hause stirbt.
23) Wenn einer etwas unternehmen will, und er wird an der Ausführung etlichemal daran gehindert, so ist’s ein Wink, daß man solches bleiben lassen soll, wenn man nicht Unglück heraufbeschwören will.
24) Wenn Soldaten marschiren oder Studenten reisen, so regnet es bald.
25) Wenn einer Blattern auf der Zunge bekommt, so hat man auf ihn gelogen.
26) Wenn einer öfters niest, so sagt man, es geht dir heut noch ein Glück an.
27) Wenn einer über alles gleich erschrickt, so behauptet man von ihm, er müsse kein gutes Gewissen haben.
28) Vor gezeichneten Leuten soll man sich hüten, z. B. der hat nicht umsonst einen krummen Fuß, einen Buckel etc.
In dieser löblichen schwäbischen Reichsstadt stand vormals ein reich geschmücktes Kirchlein, gewidmet der Orgelspielerin und Patronin aller Musikanten: der heiligen Cäcilia, deren Standbild nicht nur prächtig gekleidet, sondern [441] von reichen Dilettanten auch mit goldenen Schuhen geschmückt war. Einst kam nun ein armer, kranker Spielmann aus der Ferne in die Stadt gezogen, dessen bitterliche Noth noch mächtiger war als seine Kunst, denn das Saitenspiel ruhte still in der Tasche, der freundliche Liedermund war stumm und geschlossen. Da zog den Jüngling sein mühselig und beladen Gemüth hinein in die Kapelle seiner Schutzherrin. Und wie er im brünstigen Gebet der Heiligen sein Herz ausgeschüttet, da beleben sich des Bildwerks Züge, und siehe! die hehre Gestalt beugt sich nieder, zieht den rechten Goldschuh aus und wirft denselben mit freundseligem Lächeln dem armen Spielmann zu, welcher herzlich und dankend und hocherfreut die Kapelle verläßt, um das Geschenk beim nächsten Meister Goldschmied zu verwerthen. Das war freilich von unserem Geiger ein sehr unbesonnener Schritt, aber so sind sie alle, die ächten Spielleute. Der Goldschmied erkennt natürlich auf der Stelle den Cäcilienschuh und schleppt den wie aus dem Himmel gefallenen Unschuldigen zum Richter, welcher eben so natürlich, wie die Richter meistens thun, auf Visionen und Wunder gar nichts gibt. Er erklärt ohne viel Besinnen den Schuh für gestohlen, – wie sollte ein bettelarmer Landfahrer anders in seinen Besitz kommen? – und verurtheilt diesen als einen abgefeimten Schelm und Dieb zum Galgen, wohin man denn auch sofort mit ihm sich aufmacht. Unter dumpfem Glockenschall und ernsten Bußgesängen zieht unser Spielmann fast mechanisch seine Geige hervor und findet sich durch ihre tröstenden Klänge aus seiner Betäubung heraus. Und er geigt so wunderbar schön, daß die Mönchspsalmen verstummen, daß Jeder zuhorcht und mit innigem Mitleid auf das arme, junge Blut blickt. Desto williger gestattet man ihm seine letzte Bitte: vor dem Altar der hl. Cäcilia sein Sterbegebet sprechen zu dürfen. Vor dem Bilde der Heiligen, in aller Gegenwart, geigt er nun noch einmal sein Lied und legt die ganze Fülle seiner schuldlosen, todesbangen, hilfeflehenden Seele hinein, die eben den letzten Kampf ausringt und ergebungsvoll verzichtet. [442] Und siehe! Alle gewahrten es jetzt, was sein entzücktes Auge schaut; das Gewand der Heiligen bewegt sich, ein mildes Leuchten verklärt ihr Angesicht, und
„Lächelnd neigt das Bild sich nieder |
So besingt Justinus Kerner, selbst ein theurer Sänger des deutschen Volkes, diesen wundersamen Moment, welchem sodann, nach so glänzender Unschuldserklärung, ein werther Triumph für den geretteten Spielmann folgte. Man gab ihm zur fernerer Genugthuung ein festliches Bankett auf dem Rathhause mit Rundgesang und Becherklang; aber aus lautestem Jubel wich der fremde Spielmann hinaus in die helle Mondnacht, und mit seinen Goldschuhen wanderte er weiter von Land zu Land, spielend und singend, bis er verdämmerte irgendwo in der weiten Welt. Seitdem aber, und diesem Spielmann zum Gedächtniß, wird in Schwäbisch Gmünd jeder Musikant wohl empfangen, und das Singen und Spielen ist an der Tagesordnung geblieben, wie jedermann weiß, der nur einmal durch die Stadt gekommen ist. Und wer nicht anders tönen kann, der hält sich an’s Becherklingen, und deßhalb ist Gmünd eine so lustige Stadt, daß sie alle Welt Freude ist, weßhalb man ihren Namen herleitet von Gaudium mundi (der Welt Freude) – alles in Erinnerung an den Mann des Volksgesanges, der den Heiligen theuer ist.
Die Ritter von dem Rosenstein, [443] Wenn mit den düstern Nebelkappen 5 Die Berge regendurstig nicken,Und in die Eb’ne finster blickten. 10 Wenn durch die stillen NiederungenEin Wandersmann, ein Kaufherr zog, 15 Von ihrem hohen Felsen aus,Zur Eb’ne nach dem Gotteshaus, 20 Von kühner Seite Hohn und Raub.Es hiengen an den schmucken Wänden, 25 Dem Gläubigen zur Augenweide,Dem Räuber zur geheimen Freude. 30 Die goldnen Sonnenstrahlen locken,Und höhnend spricht die freche Schaar: 35 Dort aus der Fenster Glanz verstohlen,Die Gaben ihrer Gunst zu holen. [444] 40 Die kleine Wolke steiget auf –Erst duftig in dem Sonnenlichte, 45 Die Sonn’ ist hin, die Wolke grauLauft über in des Himmels Blau. – 50 Herab vom Roß, hin geht’s zur Diele,Sie treten zu den Hallen ein, 55 Da zückt es durch die Deckenwand,Ein einz’ger Blitzstrahl fährt hernieder; 60 Es schwemmt der wilden Räuber Leichen,Begleitet von des Donners Streichen 65 Die ganze Schöpfung steht erfreuet,Es wölbt ein seliges Himmelsblau, |
„Laß ihn pochen, laß ihn pochen! 5 Herd und Küche steh’n in Flammen,
Sprach’s der Buhle vor der Küchen 10 An dem Feuer stand die Böse:Macht sie nur die Gluth so roth? 15 Die gebrochen hat die Zucht.Schauer kommen wohl der Kecken, 20 Nach dem Buhlen hergeflogen,Eh’ die Schande wird vollbracht. 25 Prasselt in dem Topf das Schmalz.
30 Eilt zum Stall nach seinem PferdeSich zu retten vor der Wuth. 35 Und die Flamme leckt hinein,Und das Feuer bricht die Fessel, Herd und Küche steh’n in Flammen, 40 Schlägt die Glut um sie zusammen, Gönnt dem Buhlen keine Frist. 45 Bis die letzte Fuge reißt.
50 Da entwandelt er zum HaineIn der letzten Flamme Schein; 55 Fristet kaum des Lebens Last,Jagt im Walde sonder Wonne, |
Anmerkungen (Wikisource)
Die beiden abschließenden Romanzen stammen von Gustav Schwab:
Zum Text Alte Volkssage zu Gmünd siehe Der Geiger zu Gmünd von Justinus Kerner.