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Michael Grimm: Sitten, Gebräuche, Aberglauben, Sagen (Gmünd). In: Geschichte der ehemaligen Reichsstadt Gmünd von Anbeginn bis auf den heutigen Tag

mit einem neuen Hafen in der Hand vor eine der Kirchthüren stellen und Almosen sammeln. Nach dem Amt gieng man nach der Vorschrift des Stiftungsbriefes mit dem Allerheiligsten in die Sct. Johanniskirche. Erst um 12 Uhr begann die Rundreise in der Stadt. Ein uraltes Haus hier hatte die Verpflichtung auf sich, diesen alten, bresthaften Männern Erbsensuppe, Sauerkraut und Stockfische unentgeltlich vorzusetzen. Diese Stiftung hielt sich am längsten in Gmünd, weil sie sich in Privathänden befand.

Sie riefen im Chor: „Ach, ihr liebe, getreue Bürgerschaft, am heiligen Gründonnerstag, gebt uns zwölf armen, bresthaften Jüngern ein heiliges Almosen, Gott und Maria wird es euch hier und dort ewiglich belohnen.“

Des Passionsspieles haben wir schon ausführlich erwähnt.

Am Gründonnerstag mußte der ganze Magistrat, alle Officianten und Diener communiciren: es geschah dies des guten Beispiels wegen.


Karfreitag.

An diesem Tage gieng man schon frühe auf den Salvator, woselbst man viele Geißler, Ausspanner und Kreuzschleifer antraf. Die Geißler hatten weiße Hemden an und weiße Kaputzen auf dem Haupt; der Rücken war ganz bloß; sie peitschten sich so stark, daß das Blut herabrann. Die Kreuzschleifer hatten blaue Hemden und Kappen und schleppten ein Kreuz nach sich. Die Ausspanner waren wie diese gekleidet, hatten aber einen Stock durch die Arme. Öfters giengen alle diese bei der größten Kälte noch barfuß und schleppten große Ketten an den Füßen nach. Manche machten auch Bußgänge auf den Sct. Bernhards- und Rechberg. Viele trugen auch ehedessen während dieses Tages Bußkleider, bestehend aus einem wollenen Sack.

Empfohlene Zitierweise:
Michael Grimm: Sitten, Gebräuche, Aberglauben, Sagen (Gmünd). In: Geschichte der ehemaligen Reichsstadt Gmünd von Anbeginn bis auf den heutigen Tag. Selbstverlag des Verfassers, Gmünd 1867, Seite 423. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_der_ehemaligen_Reichsstadt_Gmuend.djvu/427&oldid=- (Version vom 1.8.2018)