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Michael Grimm: Sitten, Gebräuche, Aberglauben, Sagen (Gmünd). In: Geschichte der ehemaligen Reichsstadt Gmünd von Anbeginn bis auf den heutigen Tag

Wenn mit den düstern Nebelkappen

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Die Berge regendurstig nicken,

Und in die Eb’ne finster blickten.
Ja, wenn das Wetter blitzt und kracht,
Sie ritten aus in schwarzer Nacht;
Denn immer war der Fang gelungen,

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Wenn durch die stillen Niederungen

Ein Wandersmann, ein Kaufherr zog,
Und sich’re Fahrt die Straßen log.
Jetzt zogen sie an einem Morgen,
Noch war die Welt in Schlaf geborgen,

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Von ihrem hohen Felsen aus,

Zur Eb’ne nach dem Gotteshaus,
Das hob sich aus den grünen Matten
In seiner Linden kühlem Schatten,
Als fürchtet es, umrankt mit Laub,

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Von kühner Seite Hohn und Raub.

Es hiengen an den schmucken Wänden,
Gestiftet rings von frommen Händen,
Die Weihgeschenke silbern, golden,
Marien dargebracht, der holden,

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Dem Gläubigen zur Augenweide,

Dem Räuber zur geheimen Freude.
Dahin lenkt sich der Ritter Zug,
So rasch gieng nie der Pferde Flug;
Der Boden ist so fest und trocken,

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Die goldnen Sonnenstrahlen locken,

Und höhnend spricht die freche Schaar:
Wie ist der Himmel hell und klar,
Unendlich wolkenlos und blau!
Maria winkt, die schöne Frau,

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Dort aus der Fenster Glanz verstohlen,

Die Gaben ihrer Gunst zu holen.
Ein einzig Silberwölklein helle
Schwebt lächelnd über der Kapelle!
Die Reiter flügeln ihren Lauf;

Empfohlene Zitierweise:
Michael Grimm: Sitten, Gebräuche, Aberglauben, Sagen (Gmünd). In: Geschichte der ehemaligen Reichsstadt Gmünd von Anbeginn bis auf den heutigen Tag. Selbstverlag des Verfassers, Gmünd 1867, Seite 443. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_der_ehemaligen_Reichsstadt_Gmuend.djvu/447&oldid=- (Version vom 1.8.2018)