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und der Beschränktheit der nächsten Küsten hinaus auf den unbegrenzten Ocean. Bald darauf zerreißt der wittenberger Reformator die Bande, welche den Geist in Fesseln gehalten hatten, und fordert die Rechte der sittlichen Selbstbestimmung zurück. Der frauenburger Domherr endlich zertrümmert durch seine Entdeckung des kosmischen Bewegungsgesetzes den Himmel kindlicher Überlieferung, welchen die Menschheit bis dahin geträumt hatte, und ruft das Licht herbei, sich von allen Seiten in das bisherige Halbdunkel zu ergießen.

So ward es Licht, so drang das Licht in die Zwingburgen des Geistes, in die Zellen der Mönche, in die Köpfe der Gelehrten und in das Dichten und Trachten der Völker.

Ein paar Jahrtausende waren dahingegangen, innerhalb welcher die denkenden Menschen sich nur mangelhaft mittels Zeichen und Schrift zu verständigen und die Früchte ihres Denkens auf die Nachwelt zu bringen vermocht hatten. Erst Gutenbergs Erfindung, die Voraussetzung und Grundlage des vorliegenden Werks, erweiterte in bisher kaum geahnter Ausdehnung den geistigen Verkehr der Völker und bildete ihn zur weltbeherrschenden Macht aus.

Große Entdeckungen und Erfindungen sind nie die Kinder des Zufalls, sondern stets die Ergebnisse jahrelanger Arbeiten und Beobachtungen, erst verunglückter und dann geglückter Versuche, zahlloser durchwachter Nächte, neuer Sorgen und Zweifel und endlicher Triumphe. Nur im heitern Olymp der Griechen springt Athene gewappnet und in voller Jugendkraft aus dem Haupte des Zeus hervor; in der nüchternen Welt der Thatsachen liegt aber ein langer und banger Zeitraum zwischen dem ersten Gedankenblitz einer neuen Idee und der endlichen Verwirklichung einer auf sie gestützten großen Erfindung. Erfinder und Entdecker fühlen im Bewußtsein der Schwierigkeit ihres Beginnens und in ihrem Streben nach Einbürgerung in die überkommenen Verhältnisse stets das Bedürfnis, sich an verwandte, längst anerkannte Gestaltungen des Lebens anzulehnen. So knüpft denn auch Gutenberg äußerlich ebenso unmittelbar an die Schreibkunst und den Handschriftenhandel des Mittelalters an, wie dieses auf demselben Gebiete die Errungenschaften des Altertums ausbeutet und fortführt.

Es sind aus letzterm nur vereinzelte Bruchstücke und gelegentliche Äußerungen über das Bücherwesen und den Handschriftenhandel auf die

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Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_01.djvu/002&oldid=- (Version vom 1.8.2018)