sich für seine Forderung deckte. Er hat gehandelt, wie die große Mehrzahl der Gläubiger stets gehandelt hat und handeln wird. Je genialer der Erfinder, desto eher verrechnet er sich in der Zeit und in der materiellen Ausnutzung seiner Erfindung. Man setzt nur zu oft diesen allgemeinen Erfahrungssatz auch dann noch aus den Augen, nachdem sich der ursprüngliche Gesichtspunkt geändert hat und der greifbare Erfolg an die Stelle der Möglichkeit des Gelingens getreten ist. Kann man mit Recht verlangen, daß ein Geldverleiher, um sich einen ihm völlig gleichgültigen guten Ruf bei der Nachwelt zu sichern, sein Kapital fahren läßt und sich selbst, wenn nicht zum armen Manne, so doch zur stark verlierenden Partei macht? Man vergegenwärtige sich nur die Thatsachen. Fust hatte sich als vorsichtiger Kapitalist mit Gutenberg associiert, nicht um erst eine Erfindung zu machen, sondern um eine bereits gemachte geschäftlich mit ihm auszubeuten. Als er im August 1450 das Kapital hergab, war die Möglichkeit der geschäftlichen Verwertung der Kunst auch schon erwiesen. Es dauert aber fünf Jahre, bis nennenswerte, aber noch lange nicht einträgliche Erzeugnisse hergestellt sind. Da klagt Fust im November 1455. Wie oft mag Gutenberg in der Zwischenzeit seinen Gläubiger vertröstet, ihm Zahlung versprochen und diese nicht eingehalten haben! Ist es Fust nun so sehr zu verdenken, daß er, mißtrauisch in den pekuniären Erfolg geworden, sich bei der ersten günstigen Gelegenheit für seine Vorschüsse bezahlt zu machen sucht? Bei einem anfangs so zweifelhaften Geschäft, wie dem vorliegenden, pflegt zudem ein vorsichtiger Gläubiger nur im Falle der äußersten Not zu klagen. Wer hinderte andererseits Gutenberg, seine Erfindung, die er mit Fusts Gelde vervollkommnet und vollendet hatte, zu viel billigern Bedingungen an einen Dritten zu verkaufen oder mit diesem auszubeuten? Wenn auch hier die Person des Schuldners eine derartige Möglichkeit ausschließt, so muß der Gläubiger doch stets das Moment der Sicherheit in Rechnung ziehen. Fust beschwört vor Gericht, daß er bei Juden und Christen Geld zu den, Gutenberg berechneten Zinsen aufgenommen, um die ausbedungenen Vorschüsse leisten zu können. Er hat also offenbar aus dem Zinssatze keinen unerlaubten Vorteil für sich gezogen. Endlich aber ist es ein ganz legitimes Geschäft, daß sich Fust die, wenn nicht ganz, doch zum Teil wenigstens von seinem Gelde angefertigten Typen, Formen und Werkzeuge als Sicherheit für seine
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 049. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_01.djvu/049&oldid=- (Version vom 1.8.2018)