wieder auf sich selbst zu besinnen und sich wiederzufinden. In diesem Entwickelungsprozeß fiel dem Buchdruck gleich eine wichtige und entscheidende, wenn nicht die wichtigste und entscheidendste Rolle zu. Er bethätigte sich von seinem ersten Auftreten an als der bedeutendste Träger der menschlichen Gesittung, übernahm den geistigen Verkehr unter den verschiedenen Nationen der Erde und entwickelte eine, die Geisteserzeugnisse der ganzen gebildeten Welt umfassende, vielseitige Thätigkeit.
Der Buchdruck beruht auf der unbeschränkten Thätigkeit freier Männer, auf der Ausübung einer Kunst, welche vom Tage ihrer Erfindung an, im Gegensatz zum gebundenen Handwerk, stets als eine freie und löbliche bezeichnet wurde. Es ist deshalb die Ehre und Würde der freien Arbeit, welche dem Buchdruck schon im Zeitalter der Zünfte seinen bevorzugten Charakter verlieh; es ist die hervorragende Mitarbeit an der geistigen Entwickelung des Volkes, welche ihn schon in seinen ersten Anfängen über das Handwerk und zu einem gewaltigen Kulturförderer erhob. Als solcher trug er denn auch im Verein mit andern segensreichen Erfindungen und Entdeckungen mächtig dazu bei, das mittelalterliche Europa einer freiern Auffassung des geistigen und kirchlichen Lebens entgegenzuführen, sowie neue Bildungsansätze zu wecken und zu fördern. Auf Stunde, Tag und Jahr sogar läßt sich der Anfang seiner erfolgreichen Arbeit festsetzen. Es war am 28. Oktober 1462, als der neue mainzer Erzbischof Adolf von Nassau durch die Plünderung der Stadt auch die dortigen Setzer und Drucker zur Flucht zwang. Wenn diese früher wirklich gelobt hatten, „solch edle Gab Gottes“ (die Buchdruckerkunst) „sorgfältig geheim und verschwiegen zu halten“, so erachteten sie sich jetzt selbstredend durch ihren Schwur nicht mehr für gebunden, sondern trugen ihr Wissen und Können in alle Welt und lehrten alle Völker.
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 064. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_01.djvu/064&oldid=- (Version vom 1.8.2018)