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ersten deutschen Übersetzung des Livius vorgedruckt hatte, daß Gutenberg 1450 die Kunst erfunden habe, während sie Fust und Schöffer später teilweise verbessert hätten. In jener kritiklosen Zeit gewannen aber die Johann Schöfferschen größern Kurs und verdrängten bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts, ja darüber hinaus, selbst den Namen Gutenbergs aus dem Gedächtnis der Nachkommen. Die mythenbildende Phantasie schuf sich sogar noch bis auf die neueste Zeit ein Dreigestirn von Erfindern, welches in Frankfurt a. M. zu sehen ist, Gutenberg, Fust und Schöffer auf einem Erzstandbilde vereinigte. Madden und nach ihm von der Linde[1] gebührt das große Verdienst, daß sie die allmählichen Übergänge und Fortschritte dieser verleumderischen Kriegführung litterarischer, im Interesse Schöffer’s gegen Gutenbergs Ruhm arbeitender Lohnschreiber aufgedeckt haben. Für den Zweck der Geschichte des Buchhandels genügt die Erwähnung der Thatsache, ihre Begründung würde hier zu weit führen.

Im übrigen zeigen sich in der geschäftlichen Thätigkeit Peter Schöffers bereits die Grundlinien, auf denen der deutsche Verlags- und Sortimentsbuchhandel sich in der Folge weiter entwickelte: Auswahl der zu veröffentlichenden Werke unter bestimmter Rücksichtnahme auf das Bedürfnis und die Bildung der Käufer; Besorgung von Druckaufträgen auf Kosten Dritter; Ausdehnung des Geschäfts durch Errichtung von Filialen, nicht bloß in Deutschland, sondern auch im Auslande; Verbindung des Sortimentsbuchhandels mit dem Verlag; Besuch der frankfurter Messe; öffentliche Ankündigung der Verlagsartikel mit einer vielfach an Marktschreierei grenzenden Reklame und endlich Schädigung der Konkurrenten durch Nachdruck.

Das Fust-Schöffersche Geschäft bestand gerade 100 Jahre. Seinem ersten Druck, dem 1457 erschienenen „Psalterium“, folgte als letzter 1557 die zweite Auflage des deutschen Livius. Johann Schöffer starb im Jahre 1531 und hatte seinen Neffen Ivo Schöffer, den Sohn seines jüngern Bruders, des zweiten Peter Schöffer, zum Nachfolger. Ivo erlangte ein kaiserliches Privilegium für den Druck der Reichstagsabschiede und starb 1556. Von diesem Jahre an bis 1558 führte ein Verwandter, Georg Wagner, unter der Firma „Ivo Schöffers selige Erben“ das Geschäft fort. Letzteres war gegenüber dem schnellen Aufblühen des Buchdrucks und Buchhandels der Nachbarstädte in der Entwickelung


Fußnoten

  1. Madden a. a. O. III, 88 fg. und v. d. Linde a. a. O. S. 285–287.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_02.djvu/013&oldid=- (Version vom 1.8.2018)