Leipzig und eine Buchhandlung, für deren Umfang spricht, daß er von der frankfurter Fastenmesse 1576 für 1550 Gulden Bücher schickte. Um diese Zeit aber brach Unheil über ihn herein. Die kursächsische innere Politik schwankte damals in dem Streit der vermittelnden Melanchthonschen und der orthodox-lutherischen Richtung bedenklich hin und her, der Haß gegen alles, was mit dem reformierten Bekenntnis zusammenhing, bestimmte sie fast ausschließlich. Wer des Kryptocalvinismus verdächtig war, mußte für Leib und Leben fürchten. Vögelin war seiner Überzeugung nach reformiert, sein Freundes- und Autorenkreis zählte vorwiegend zu den Philippisten. Beschuldigt, in einem Werke Stellen im reformierten Sinne interpoliert zu haben, wurde er in Untersuchungshaft genommen und mußte, um nach seiner vorläufigen Freilassung nicht von neuem eingekerkert zu werden, in der ersten Hälfte des Jahres 1576 aus Leipzig flüchten, um nie wieder dahin zurückzukehren. Möglicherweise war er während des Besuchs der frankfurter Messe gewarnt worden; jedenfalls hatte er die Katastrophe geahnt und durch einen, allem Anschein nach so gut wie fiktiven Gesellschaftsvertrag mit seinem Hauptgläubiger Dr. Georg Roth sein Hab und Gut zu sichern gesucht. Er wandte sich nach Heidelberg und stellte sich, um wenigstens die frankfurter Messen ungefährdet besuchen zu können, unter kurpfälzischen Schutz, der ihm auch wenigstens die äußere Existenz sicherte. Schnell erfolgte nun der Zusammenbruch seiner Verhältnisse. Schon am 28. Juni 1576 wurde Vögelins Buchhandlungsdiener Nickel Bock, dem Faktor seiner Buchdruckerei Hans Steinmann, und seinem Schriftgießer Thomas Wilhelm durch den Bürgermeister Hieronymus Rauscher auf dem Rathause ein kurfürstliches Mandat eröffnet, nach welchem, weil Vögelin sich nicht wieder im Lande einstellen wollte und man nicht wüßte, ob er wiederzukommen gedächte, nun auch seine Kinder innerhalb 14 Tagen das Land verlassen sollten. Dieser Ratssitzung wohnten auch Vögelins zwei bedeutendste Gläubiger bei: der schon genannte Dr. Georg Roth und der Buchführer Lorenz Finckelthaus, der an Vögelin eine Forderung von 2000 Gulden hatte, die aber erst im Ostermarkt 1578 fällig war. Beide ließen sofort gemeinschaftlich Vögelins sämtliches Besitztum mit Arrest belegen und die drei genannten Diener desselben durch Handschlag an Eidesstatt verpflichten, nichts davon zu „verrücken“. Um Finckelthaus sicherzustellen bestimmte nun Vögelin, daß Nickel Bock
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_02.djvu/092&oldid=- (Version vom 1.8.2018)