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jeher Tierhäute gedient zu haben (deren einzelne Stücke vermittelst dünner Lederriemen gewissermaßen zusammengenäht wurden), den Ägyptern Papyrus: also die beiden Arten des Schreibstoffs, welche die Vorläufer des Pergaments und des Papiers geworden sind. Über die anfängliche Weise der Bearbeitung des Leders zu diesem Zweck fehlen die Nachrichten; allein sie muß, abgesehen von der Kostbarkeit des Materials, auch ein unvollkommeneres Produkt geliefert haben, da erst die Not, einen Ersatz für den ägyptischen Papyrus zu schaffen, im 2. Jahrhundert v. Chr. zu besserer Zurichtung der Häute führte. Dagegen ist die Natur des Papyrus, über welche durch Plinius mancherlei irrige Vorstellungen verbreitet worden waren, gegenwärtig genau bekannt. Nicht aus dem Bast der Papyrusstande, sondern aus deren Mark wurden Streifen geschnitten, und diese nicht, wie noch Marquard[1] annahm, wie Flechtwerk, oder wie Kette und Schuß eines Gewebes, miteinander verflochten, sondern in zwei, selten drei, sich kreuzenden Lagen übereinander gebreitet, die man durch Befeuchten mit Nilwasser, vielleicht auch mit einer klebenden Flüssigkeit, durch Pressen, Schleifen mit Bimsstein u. s. w. zu einer festen, ebenen Masse vereinigte. Ein so gewonnenes Blatt, mit einer Urkunde oder einem Briefe beschrieben, wurde mehrmals zusammengefaltet, sodaß es einen schmalen Streifen bildete, und dann zu einem Knoten verschlungen, – ähnlich, wie man vor der fabrikmäßigen Herstellung von Briefumschlägen wohl Briefe zusammenlegte, welche nicht durch die Post befördert werden sollten. Für größere Schriftstücke aber wurden mehrere Blätter aneinander geklebt, welche in Kolumnen oder in langen Zeilen beschrieben und, behufs der Aufbewahrung, aufgerollt werden konnten. Auf der ersten oder der letzten Kolumne findet sich angegeben, wie viel Kolumnen oder wie viel Zeilen die Rolle enthält, oder die Kolumnen sind paginiert. Zum Schutz gegen Insekten und Wurmfraß bestrich man den Papyrus mit Cedernöl. Der Rand des letzten Blattes wurde an einen dünnen Holzstab, umbilicus, geklebt, um welchen der Papyrus aufgewickelt wurde, um endlich in eine Schutzhülle von Papyrus oder Pergament gethan zu werden, aus welcher nur ein Zettel mit dem Titel des Buchs hervorragte.[2]

Zahlreiche antike Bildwerke, zumal im Museo nazionale zu Neapel, zeigen dergleichen Rollen, geschlossen in der Hand von Rednern, oder, von links nach rechts aufgewickelt, in den Händen Lesender; der Sophokles


Fußnoten

  1. Marquardt, Römische Privatalterthümer. Leipzig 1864–1867. II, 390.
  2. Birt, Das antike Buchwesen. Berlin 1882. S. 46 fg. – Egger (Histoire du Livre, 3. Éd. Paris s. d. p. 57 fg.) führt mehrere Beispiele von Papiernot in Zeiten des Mißwachses der Papyrusstaude in Ägypten an. Zur Zeit des Tiberius war vorübergehend ein solcher Mangel an Schreibstoff in Rom, daß, wie bei einer Hungersnot, der Vorrat rationenweise zugeteilt wurde. Derselbe Autor erinnert daran, daß in Paris gegen Ende der Belagerung von 1870/71 das Papier auszugehen anfing. Häufiger kommt es in der Gegenwart vor, daß die Fabriken außer Stande sind, mit der Druckthätigkeit Schritt zu halten.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 223. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_04.djvu/002&oldid=- (Version vom 1.8.2018)