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Im folgenden Jahrhundert vollzieht sich in stilistischer Beziehung der Übergang zu den Typen der Zeit der Gotik, den gestreckten, schmächtigen, oft sich in unnatürlichen Körperwindungen haltenden Figuren, in technischer ein allmähliches Fortschreiten vom Kolorieren mit ungebrochenen Farben zum Malen mit Lichtern, Schatten und Halbtönen, und fängt die Miniaturmalerei auch ein bürgerliches Gewerbe zu werden an. Im 14. und 15. Jahrhundert gedieh dann diese Kunst zu hoher Blüte an den Höfen von Frankreich und Burgund. Flandern und Brabant waren die Hauptpflanzstätten. Gebetbücher und Dichtungen wurden mit Gemälden ausgestattet, welche in ihrer Art vollendet genannt werden müssen, und der Text mit den prächtigsten und graziösesten Randeinfassungen aus naturalistisch behandelten Pflanzenmotiven umgeben. Die hervorragendsten Meister der altniederländischen Malerschule haben sich solchen Aufgaben gewidmet, oder ihre größern Werke gemahnen doch durch die überaus sorgfältige Ausführung und durch die naive Darstellung an jene Miniatorenschule. Und den Einfluß eben dieser Schule läßt das Beste, was in den letzten Zeiten des Mittelalters auf dem Gebiete der Buchmalerei auch in andern Ländern geschaffen worden ist, auf das deutlichste erkennen.

Eine je höhere Kunststufe aber die Miniaturmalerei erreichte, je höhern materiellen Wert ihre Leistungen erhielten, um so ausschließlicher wurde sie höfische Kunst. Und in dieser Stellung behauptete sie sich noch lange nach Erfindung der Buchdruckerkunst – es ist dies bereits im ersten Kapitel berührt worden –, wie die Gebetbücher fürstlicher Personen in unsern Bibliotheken (des Kaisers Max, der Maria von Burgund, Karls V. in Wien, der Anna von Bretagne, des Königs René in Paris, die 40 Blätter aus einem Gebetbuche von Jehan Foucquet in der Brentano’schen Sammlung zu Frankfurt, Dürers Zeichnungen zum Gebetbuche des Kaisers Max in München – wozu neuerdings Ergänzungen von der Hand anderer Meister in Besançon aufgefunden worden sind, u. v. a.), das Breviarium Grimani in Venedig u. s. w. bezeugen.

Inzwischen hatte sich jedoch ein anderes, ein populäres Illustrationsmittel herausgebildet, der Vorläufer des Letterndrucks: der Holzschnitt oder Formschnitt, dessen Vorläufer wiederum der Modelschnitt für den Zeugdruck gewesen ist.

Die Frage, wann in China angefangen worden sei, Schriftcharaktere

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_04.djvu/018&oldid=- (Version vom 1.8.2018)