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In Deutschland verlangte der kindlich fromme Sinn des Volks zuerst Bibeln, Kirchenväter und Erbauungsbücher; es überwogen hier daher auch im ganzen 15. Jahrhundert Werke, welche der Theologie und Scholastik, der Erbauung und dem Unterricht gewidmet waren. Man ging auf das christliche Altertum zurück und zog besonders die Kirchenväter wieder hervor, einen Hieronymus, Augustinus, Gregor und Tertullian. Dann regte sich das Bedürfnis besserer Ausgaben der Vulgata und des Neuen Testaments. Wie die lateinische Bibel in drei verschiedenen Ausgaben die Hauptwerke des Erfinders und seiner Geschäftsnachfolger bildet, so druckten sie auch Mentel, Heinrich Eggesteyn in Straßburg, Günther Zainer und Anton Sorg in Augsburg, Bernhard Richel in Basel, Ulrich Zell und Nikolaus Götz in Köln, Sensenschmid und Koberger in Nürnberg. Dazu kamen deutsche Bibeln in Straßburg (1466), Augsburg (1469) und Nürnberg (1483) nebst zwei plattdeutschen in Köln (1480) und Lübeck (1484). „Wir Deutschen“, sagt Jakob Wimpheling in seinem Schriftchen über die Buchdruckerkunst, „beherrschen fast den ganzen geistigen Markt Europas. Was wir ihm aber zuführen, das sind meist edle Erzeugnisse, welche nur der Ehre Gottes, dem Heile der Seelen und der Bildung des Volks dienen.“

In Italien trat die neue Kunst sofort in den Dienst der wissenschaftlichen Arbeit und wurde sogar von Bischöfen und Kardinälen wesentlich in ihrer klassischen Richtung gefördert. Wie Rom zuerst die lateinischen Klassiker druckte, so stellte Venedig die griechischen in eleganten Ausgaben schon im 15. Jahrhundert her. Auch die deutschen Drucker, welche die Buchdruckerkunst in Italien einführten, bequemten sich, wie die Darstellung im dritten Kapitel bereits erkennen läßt, leicht dem dortigen Geschmack an. Gleich Schweinheim und Pannartz widmeten ihre Thätigkeit den Klassikern; Cicero war einer ihrer ersten Verlagsartikel. Wendelin von Speyer gab schon 1470 den Tacitus, Sallust, Livius, Virgil, Cicero, Martial und Curtius heraus. Auch für die Verbreitung der nationalen Dichter sorgten die deutsch-italienischen Drucker. Es ist bezeichnend für die Heimat der Renaissance, daß während Petrarca’s Sonette und Boccaccio’s „Decameron“ schon 1470, Dante’s „Göttliche Komödie“ aber 1472 (von einem Deutschen in Foligno) gedruckt wurden, der als besonders fromm gerühmte Römer Aldus Manutius von theologischen Werken überhaupt nur eine Bibel und ein Gebetbuch herstellte.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_05.djvu/023&oldid=- (Version vom 1.8.2018)