ungestüm vorwärts. Die beiden Feuerseelen Ulrich von Hutten (1488 bis 1526) und Hermann von dem Busche aus Sassenberg in Westfalen (1468 bis 1534), ein Schüler und Neffe Rudolfs von Langen, standen an der Spitze derer, welche überall die Vertreter der Scholastik zum Kampfe herausforderten und diesen Kampf bis zur glücklich durchgesetzten Reformation fortführten. Über ganz Deutschland die neuen Ideen verbreitend, zogen sie von einer Universität zur andern und gewannen den alten Zunftgelehrten zum Trotz die studierende Jugend für sich. Das nicht gelehrte Volk aber fühlte sich mächtig zu ihnen hingezogen, weil es in ihnen die geborenen Vertheidiger seines Rechts und die berufenen Vorkämpfer seiner Ziele erblickte.
Die Begeisterung dieser unstäten Gesellen steckte alle Kreise an. Ein bisher nie gekanntes Interesse für geistige Fragen erfaßte Hoch und Niedrig, jeder neue Gedanke, jede frische That, jeder Schritt vorwärts wurde mit Jubel begrüßt, jeder neue geistige Hauch bis in die entlegensten Winkel des Landes getragen. Dieser Wandertrieb der jungen Humanisten entsprach dem jugendfrischen Wesen der ganzen Zeit und ward zunächst bedingt durch die mangelhaften Verkehrs- und Verbindungsmittel jener Tage. Zudem waren überall in der wissenschaftlichen Welt neue hervorragende Kräfte aufgetaucht, ohne daß der Buchhandel schon beweglich genug gewesen wäre, die geistigen Beziehungen genügend zu vermitteln. Wer den Umgang mit einem großen Gelehrten gewinnen wollte, der mußte ihn Paris, Padua, Bologna, Straßburg oder Basel aufsuchen; wer mit einem Gesinnungsgenossen anzuknüpfen suchte, der konnte nichts Besseres thun, als nach dessen Wohnort zu pilgern oder an einem andern Punkte mit ihm zusammenzutreffen. Man denke an die Wander- und Irrfahrten eines Konrad Celtis oder Ulrich von Hutten, die mit leichtem Gepäck und wenigem Geld in der ganzen damaligen civilisierten Welt herumzogen und überall neue Freunde und Mitkämpfer für ihre Sache gewannen. Die jungen Humanisten bildeten eine einzige unsichtbare Gemeinde, welche wie auf Verabredung gemeinschaftlich handelte und, wenn es galt, auch losschlug. Die Solidarität der freien und schönen Geister jener Zeit bewährte sich einige Jahre später glänzend in den Reuchlinschen Händeln mit den kölner Scholastikern. Dieser Kampf erst lehrte die räumlich voneinander getrennt lebenden Gesinnungsgenossen sich als Einheit fühlen und mit vereinigten Kräften tapfer bis zum glücklichen
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 397. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_06.djvu/038&oldid=- (Version vom 1.8.2018)