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verhältnismäßig nur noch wenig berührt. Während in Deutschland die Verwüstung und Verödung immer weitere Kreise zogen, blühten in Holland Handel und Gewerbe, Künste und Wissenschaften, es wurde der Sitz und der Zufluchtsort voller Glaubensfreiheit, eine Stätte, wo unbedingte Preßfreiheit herrschte. Die freiere Publizistik, namentlich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, die liberalen theologischen Richtungen und die Litteratur der Sekten, z. B. der Socinianer und Mystiker, fanden hier eine sichere Zufluchtsstätte, eine Stätte, von der aus sie unter den Fittichen des geschäftlichen Übergewichts und des berechtigten Ansehens des holländischen Buchhandels eine um so kräftigere und gesichertere Verbreitung gewinnen konnten und auch thatsächlich gewannen.

Für sehr viele dieser Publikationen wurden zwar ein fingierter Druckort und eine fingierte Firma gewählt; aber ihr holländischer Ursprung war meist unzweifelhaft, schon der Charakter der Ausstattungsweise deutete ihn an. Typisch wurde die Firma: Cologne, chez Pierre Marteau, in allen Sprachen wurde sie variiert, deutsch als Köln, bei Peter Hammer, und speziell in Deutschland bis in das 19. Jahrhundert hinein gern und viel ausgenutzt. Dabei war die Wahl des Ortsnamens als fingierter Druckort keine rein willkürliche gewesen, sie hatte vielmehr einen gewissen historischen Hintergrund. Schon im Anfang des 17. Jahrhunderts war es nicht ungewöhnlich, daß Werke, deren Druck in Belgien seitens der spanischen Censur beanstandet worden war, in Köln erschienen, oder daß ihnen wenigstens Köln als Verlagsort aufgedruckt wurde.[1]

Aber die ausländische Litteratur war in Holland vogelfrei; kein ausländischer Autor oder Verleger erhielt von den Generalstaaten ein Privilegium gegen den Nachdruck. Namentlich wurde letzterer hinsichtlich der französischen Litteratur in ausgedehnter Weise geübt, ganz systematisch gepflegt. Doch die Beliebtheit der holländischen Ausgaben war der geschmackvollen und zierlichen Ausführung halber eine so große, daß selbst in Frankreich die Schädigung der rechtmäßigen Verleger weniger betont und empfunden wurde, als man annehmen sollte; die Autoren fanden sogar eine Ehre darin, wenn ihre Werke „Jouxte la copie de Paris“ in Amsterdam nachgedruckt wurden. Neben den Ausgaben der Elseviere waren und sind noch jetzt besonders geschätzt diejenigen Abraham Wolfgangs, Sambix’ und die à la Sphère.


Fußnoten

  1. Kirchhoff, Beiträge. II, 126.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 498. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_08.djvu/051&oldid=- (Version vom 1.8.2018)