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Censur gerichteten Zielen. Bisher hatte sich der Papst allein die Oberaufsicht über die Presse angemaßt, fortan, aber reichten sich die weltliche und geistliche Gewalt brüderlich die Hand, um im größten Teil der damaligen civilisierten Welt Denken und Glauben in ihrem Ausdruck durch die Litteratur ihrem Machtgebote zu unterwerfen. Was dem Papst nicht gefiel, das war einfach Ketzerei, und was dem Kaiser mißliebig war, das ließ er als Schmähschrift oder Famoslibell verfolgen.

Die bisher rein kirchlichen Censurvorschriften würden für die Protestanten bedeutungslos geblieben sein, nur auf dem Papier gestanden haben, wenn der Kaiser nicht dem Papst jetzt seinen mächtigen Arm geliehen hätte. Wie Rom die Wiege der Büchercensur für die ganze Welt, so ist Worms ihre Geburtsstätte für Deutschland. Spätere Regenten haben höchstens mehr Methode in deren Ausübung, mehr System in die Verfolgung der Preßvergehen gebracht; neue Gesichtspunkte aber konnte selbst der Absolutismus des 18. und 19. Jahrhunderts beim besten Willen auf diesem Gebiete cäsaro-papistischer Politik nicht mehr aufstellen. Namentlich aber bildete sich fortan statt des bisherigen gelegentlichen Einschreitens mehr und mehr eine allgemeine, wenn auch immer noch willkürliche Praxis aus, welche mit ganz besonderer Härte auf die Protestanten drückte, denn während diese sich von der katholischen Kirche losgesagt hatten, beanspruchte letztere sie immer noch als ihre, wenn auch ungehorsamen, Kinder und behandelte sie dementsprechend. Unter solchen Umständen war es ein großes Glück, daß die Reichsstände in ihrer innern Politik so gut wie unabhängig vom Kaiser waren, und daß namentlich die lutherischen Freien Städte seinen Censurerlassen, soweit diese sich auf theologische Gegensätze und Streitigkeiten erstreckten, jahrzehntelang eine meisterhafte Unthätigkeit, einen zähen passiven Widerstand entgegensetzten.

Es dauerte übrigens bis zum Jahre 1577, ehe die Reichspreßgesetzgebung in der revidierten Reichspolizeiordnung vom 9. November 1577 ihren Abschluß fand. Die einzelnen Akte und Beschlüsse finden sich in ihrem Wortlaute im Anhang unter X abgedruckt; es reicht also hin, ihre Hauptbestimmungen hier kurz zusammenzufassen.

Kaiser Karl hatte im Mai 1522 Deutschland verlassen und sich nach Spanien zurückbegeben, wo er nunmehr sieben Jahre blieb. Während seiner Abwesenheit ließ er sich von dem in Nürnberg residierenden Reichsregiment vertreten. Abgesehen davon, daß eine solche Körperschaft bei der

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Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 539. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_09.djvu/018&oldid=- (Version vom 1.8.2018)