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beim Weiterverkauf auf die frankfurter Meßpreise aufschlugen. Solche Taxordnungen sind von alters her auf den verschiedensten Wirtschaftsgebieten nichts seltenes gewesen. Je größer die geistige Unbildung und wirtschaftliche Verwahrlosung, je schlimmer die Zeiten und je trostloser die Aussichten für die Zukunft, je heftiger der Neid und die Mißgunst sind, desto häufiger treten derartige ökonomische Irrtümer in der Geschichte der verschiedenen Völker auf. Die Jesuiten der Hofburg, mit ihrer oberflächlichen, rein mechanischen Auffassung der Dinge, glaubten vermutlich einen ganz neuen kühnen Griff gethan und das beste Mittel zur Unterdrückung der ihnen unbequemen Thätigkeit der Presse gefunden zu haben, als sie mit dem Plane ihrer Taxe zuerst hervortraten. Aber die frommen Väter folgten doch nur älteren Vorbildern. Schon der westgotische König Chindaswind hatte bestimmt, daß der Verkäufer eines Codex der Lex Visigothorum nicht mehr als 12 Solidos für denselben fordern, der Käufer aber nicht mehr dafür zahlen durfte, wenn sie nicht beide vom Richter zu hundert Peitschenhieben verurteilt werden wollten. Auch die Bestimmungen des kanonischen Rechts gegen den Wucher entspringen ganz derselben Grundanschauung und selbst die heutige Gesetzgebung enthält noch manche Spuren dieser veralteten Auffassung. Vielleicht aber diente gar das ketzerische Sachsen den Jesuiten als Vorbild, denn hier setzte das Münzmandat mit angefügter Taxordnung vom 31. Juli 1623 die Preise für alle damals betriebenen Zweige wirtschaftlicher Thätigkeit, namentlich auch für Buchdruck und Buchhandel, fest.

In der Hofburg kannte man recht gut das Elend und den verkümmerten Zustand, in welchem der deutsche Buchhandel bei Beendigung des Dreißigjährigen Krieges darnieder lag, man kannte ebenso gut die Gründe, aber man fing, um die eigentliche Ursache zu verdecken, schon seit Anfang der fünfziger Jahre an, über die Mißbräuche zu klagen, welche sich in den Buchhandel eingeschlichen hätten, und die Verleger zu beschuldigen, daß sie ihre Verlagsartikel zu wucherischen Preisen verkauften. Also, hieß es, müsse man ihrer Gewinnsucht und Willkür ein Ziel setzen, zu welchem Ende die obrigkeitliche Fixierung der Preise das geeignetste Mittel sei. So entstand denn in den Köpfen der kaiserlichen Ratgeber der Plan einer Büchertaxe, die als Universalmittel zur Befestigung aller Schäden und Herbeiführung besserer Zustände dienen sollte.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 676. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_10.djvu/069&oldid=- (Version vom 1.8.2018)