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Weib ein Mägdlein. So groß indessen die Freude vor der Geburt war, so groß war das Leid nach der Geburt; denn das neugeborne Mägdlein kam blind zur Welt.

Vater und Mutter jammerten, jedes für sich im Stillen, über dieß traurige Schicksal, härmten sich ab und grämten sich, daß ihre Freude so grausam verbittert worden. Doch, die Zeit, die alles lindert, alles ebnet, machte ihnen das Unglück zur Gewohnheit, und sie hatten das Töchterchen, das das einzige Kind blieb, recht herzlich lieb. Es wuchs gesund und schlank heran, und wurde ein recht feines und gutes Mädchen.

Ottilie, so hieß sie, war ungefähr vierzehn Jahre alt, als sie – durch welchen Zufall, weiß man nicht – plötzlich das Augenlicht erhielt. Die Freude der Eltern darüber war grenzenlos. Große Pläne machten sie nun für Ottiliens künftiges Schicksal, suchten sich unter den benachbarten Edeln und

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Friedrich Gottschalck: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen. Hemmerde und Schwetschke, Halle 1814, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gottschalck_Sagen_und_Volksmaehrchen_der_Deutschen.pdf/252&oldid=- (Version vom 1.8.2018)