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trösten, und – was höchst sonderbar war, er konnte sich von dem Gegenstande seiner Leidenschaft schlechterdings nicht trennen; er schien an seine todte Geliebte gebannt zu seyn, und verließ sie selbst dann nicht, als ihr Körper schon in Verwesung überzugehen anfing. Diese an Raserei grenzende Leidenschaft setzte den ganzen Hof in Entsetzen. Der Erzbischof von Kölln, ein Vertrauter des Kaisers, bot alle Trostgründe auf, aber vergebens. Endlich wandte er sich betend zu Gott, der ihm offenbarte, was den Monarchen in dieser unseligen Liebeswuth gefangen halte. Er näherte sich demnach dem Leichnam, öffnete den Mund, und fand darinnen den Zauberring. Sobald er ihn zu sich genommen, war der Kaiser geheilt; der Leichnam wird beerdigt, und von nun an besaß der Erzbischof mittelst desselben Ringes die ausschließliche Zuneigung des Kaisers, der sich keinen Augenblick von ihm trennen konnte.

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Friedrich Gottschalck: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen. Hemmerde und Schwetschke, Halle 1814, Seite 331. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gottschalck_Sagen_und_Volksmaehrchen_der_Deutschen.pdf/370&oldid=- (Version vom 1.8.2018)